Bad Moon Rising
Nein. Und wenn, dann hätte er es nicht getan.« Nicht mit dir, hätte meine giftige Realistin noch anmerken können – ein Gedanke, den sie hoffentlich nicht mitbekommen hatte, weil sie im Geist mit anderem beschäftigt war. Jake hatte nicht gewusst, was er angerichtet hatte, aber er – oder Wolf – hatte in jenen letzten Stunden im Castle Hotel gewusst, das da etwas war, das ihn verunsicherte, wenn er an Madeline dachte.
›Denke ich an Madeline hier, nagt etwas an mir. Dieser Raum hat dieses Etwas bis an den Rand der Erinnerung gezerrt, schafft es aber nicht, es über die Grenze zu wuchten.‹
So stand es in seinem Tagebuch, praktisch der letzte Eintrag, bevor Llewellyn kam und ihn in den Beddgelert Forest brachte, zu mir, zu Grainer, zu seinem Tod. Etwas Klügeres als sein Mensch wusste: ›Du hast sie gebissen. Sie wird sich verwandeln‹. Und wenn er sie nicht gebissen hätte, wäre ich jetzt tot.
›Gib dir gar nicht erst die Mühe, nach einem Sinn zu suchen. Es gibt keinen.‹
Vielleicht nicht, aber das Leben ließ einem diese Möglichkeit zwanghaft vor der Nase baumeln. Leben, ein Dramatiker auf Speed. Leben, das nicht aufhören konnte mit seinen vorausgeworfenen Schatten, Ironien, Symbolen und Anhaltspunkten, seinen jämmerlichen Witzchen, falschen Enden und Wendungen. Leben mit seiner hoffnungslosen Sucht nach sinnvoller Handlung .
»Sag Fergus nichts davon«, meinte Madeline.
»Was?«
»Sag ihm nicht, dass man jemanden mit einem Knutschfleck verwandeln kann.«
»Sonst fängt er gleich damit an?«
»Würde mich nicht wundern. Er ist ein wandelndes Pulverfass. Zu Trish würde ich es auch nicht sagen. Versteh mich nicht falsch: ich liebe Trish. Aber ernsthaft, bei dieser Angelegenheit ist sie wie ein Kind mit einem neuen Spielzeug. Nach all dem Mist, den sie durchgemacht hat, kann ich es ihr auch nicht verdenken.«
Caleb hustete. Spuckte etwas aus. Sein Atem ging schwer. Ich musste ihm Blut suchen. Würde ein Tier gehen? Ich könnte ihm ja auch mein Blut geben, dachte ich – aber wer wusste schon, in was ihn das verwandeln würde?
»Und du hast sie einfach … gebissen?«, fragte Madeline.
»Ja.«
»Wie das denn?«
»Was glaubst du denn?«
Eine Pause, in der sie mich neu einschätzte. Nun war ich die Sorte Frau, die strategisch vögeln konnte. Ich spürte, wie ihr aufging, dass sie mich unterschätzt hatte – und spürte, wie sie spürte, dass ich es spürte. Diese Schauer und Schatten unendlichen Gedankenlesens. Die erzwungene gegenseitige Erkenntnis war noch frisch genug, um uns zu entzücken – aber wir wussten, das würde nicht lange anhalten: Letzten Endes mussten wir eine Möglichkeit finden, dass jede für sich behielt, was nur für sie bestimmt war. Unter den gegebenen Umständen las ich jedenfalls, dass sie sich fragte, ob ich irgendwelches Vergnügen daran gehabt hätte.
›Nicht sehr.‹
Madeline nickte. Männer, die beim Sex nicht gut waren. Da konnte ihr keiner was vormachen. Was die Zweideutigkeit erneut so sehr aufflammen ließ, dass mir die Haut kribbelte und ich rot wurde, und einen Augenblick lang sahen wir uns absichtlich nicht an. Gerettet wurden wir vom Geräusch eines Wagens, der anhielt. Einen Augenblick später kamen Lucy und Cloquet mit großen Augen und blasser Haut herein und rochen nach Wolfsresten, Schlammbänken, Diesel und kalter Luft.
»Alles in Ordnung?«, fragte ich.
»Keine Ahnung«, antwortete Lucy. »Wir haben getan, was wir konnten.«
Lucy war eine große, dünne Frau mit rotbraunen Haaren, traurigen, warmen Augen, breiten Wangenknochen und einem weiten, aber ungeformten Mund. All ihre körperlichen Merkmale lösten sich in ihren Sommersprossen auf. Die Haare hatte sie zu einem dreieckigen, schulterlangen Bob mit Stirnfransen geschnitten. Sie würde in jedem Grünton gut aussehen, doch im Augenblick trug sie eine rostfarbene Hose und einen schwarzen Rolli. Die meisten Männer würden uns wohl in folgender absteigender Reihenfolge einordnen: Madeline, ich, Lucy, doch für eine wache Minderheit würde Lucy mehr Sexappeal haben als Maddy und ich zusammen. John Updike hätte sich über ihre ölige Haut, ihre langen Finger und sommersprossigen Brüste ausgelassen.
»Ich hatte noch keine Gelegenheit, mich zu bedanken«, sagte ich. »Für die Sorge um Zoë. Für alles.«
»Sie hat keine Mühe gemacht«, wiegelte Lucy ab. »Aber bevor wir weitermachen, könntest du mir bitte sagen, was der Bursche da oben in meinem Gästezimmer macht?«
In
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