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Bad Moon Rising

Bad Moon Rising

Titel: Bad Moon Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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suchte mich gründlich ab, ohne Schamgefühl, obwohl meine Bluse vom Stillen noch halb offen stand. Er hatte eine unerhört sanfte, geradezu strahlende Selbstgewissheit an sich. Aus der Nähe betrachtet, konnte ich sehen, dass er eine Weile nicht geschlafen hatte. Ich entdeckte auch eine kleine weiße Narbe direkt unter dem linken Auge.
    »Okay, das mit den Waffen hätten wir«, sagte ich. »Kann ich mich jetzt bitte anziehen und meine Tochter in die Babytrage stecken?«
    »Sicher, sicher, machen Sie ruhig. Bitte nochmals um Entschuldigung.«
    »Was soll das werden?«, wollte Cloquet wissen. »Wer sind Sie?«
    New York deutete mit einem weiteren breiten Grinsen auf die erbeuteten Waffen. »Wir stellen die Fragen«, stellte er fest. »Ich nehme mal an, dass Sie diese Leute nicht umgebracht haben, aber haben Sie vielleicht gesehen, was passiert ist?«
    »Nein«, antwortete Cloquet. »Lassen Sie mich von diesem verdammten Boden aufstehen.«
    »Immer mit der Ruhe, Tiger, immer mit der Ruhe. Fuß vom Gas. Sie können aufstehen, ganz langsam, ganz ruhig. Wie David Carradine. Gut so. Sehr schön. Hätte ich nicht besser hingekriegt.«
    Ich hatte mir die Bluse zugeknöpft und Zoë wieder, eng an mich gedrückt, in die Babytrage gesteckt. Immer wieder stellte ich mir das Gefühl vor, wenn sie eine Kugel treffen würde, während ich sie trug. Der Ältere hatte sich hingekauert und untersuchte die Überreste des Vampirs. Er stieß mit einem Bleistift gegen den Fuß.
    »Woher wissen Sie, wer wir sind?«, fragte ich New York.
    »In unserer Organisation weiß jeder, wer Sie sind. Ein Kollege von mir hat sogar ein Foto von Ihnen als Bildschirmschoner. Und mit allergrößtem Respekt, das Bild wird Ihnen nicht gerecht.«
    »Welche Organisation?«
    »Ehemalige Organisation. Wir betrachten uns nicht länger als Mitglieder der WOKOP. Nicht seit sie versuchen, uns umzubringen.«
    »Die WOKOP?«
    »Gehen wir«, forderte uns der Ältere auf. Das G klang osteuropäisch, vielleicht Russland. Er hatte sich aus seiner Apathie gerissen.
    »Wohin?«, fragte ich.
    »Wenn Sie ihr weh tun«, fing Cloquet an, »wenn Sie irgendetwas –«
    »Immer mit der Ruhe«, unterbrach ihn New York. »Immer volles Drama, dieser Bursche, immer. Sich mit dir die Küche zu teilen, muss die Hölle sein, Dünner. Wir reden nur davon, anderswo hinzugehen, wo es nicht gleich derartig nach Tatort aussieht. Haben Sie die Frau in der Eingangshalle gesehen? Ich weiß ja nicht, wie Sie das sehen, aber ich bin nicht –«
    »Gehen wir«, wiederholte der Russe. »Jetzt.«

18
    New York hielt uns gleich hinter dem Tor fest, lächelnd. Meine Haut kribbelte. Adrenalin kämpfte sich durch die Erschöpfung. Cloquet summte regelrecht vor lauter sinnlosem Aktionismus. Nach nicht mal einer Minute fuhr der Russe in einem verspiegelten BMW 4x4 vor. Die einzige zur Verfügung stehende Augenbinde war Cloquets riesiges Taschentuch. Ob sie mir trauen konnten, dass ich die Augen geschlossen hielt? Oder müssten sie mir eine Jacke über den Kopf legen? Der Russe fuhr. New York drehte sich im Sitz um, um sicherzugehen, dass ich nicht heimlich linste. Er hätte Surfer sein sollen. Sein Gesicht war voller maskuliner Schönheit und wirkte ungeheuer sympathisch. Was mir nach dem Gesetz der invertierten Ästhetik des Horrors deutlich signalisierte, dass wir unserem Tod entgegenfuhren.
    Wir waren keine zehn Minuten unterwegs, dann wurden wir stolpernd aus dem Wagen in die Eingangshalle eines Hauses geschubst, das ich für einen Sozialbau hielt. Ein schwankender, mit Graffiti übersäter Aufzug, in dem es nach Urin und Haschisch stank, brachte uns in den zwanzigsten Stock. Der Russe kontrollierte den Flur, bevor wir zur unnummerierten Tür einer Wohnung gingen. Aus einer der unteren Etagen sang jemand zu einer Karaokemaschine Paul McCartneys »Simply Having a Wonderful Christmas Time«, aber vollkommen schief. »Zweifellos der schlechteste jemals geschriebene Weihnachtssong«, stellte New York leise zu mir fest. »Wie ein Flehen, Gott möge das Universum anhalten. Passen Sie auf, dass Sie nicht stolpern.«
    Drinnen gab es heruntergekommenes Mobiliar aus zweiter Hand, einen fadenscheinigen Teppichboden, ein spartanisches Bad mit außenliegenden Rohren und fehlender Wannenseite und eine winzige, aber überraschend saubere, blau-weiße Küche, die ans Wohnzimmer grenzte. Es roch nach chinesischem Essen, leeren Bierflaschen und abgestandenem Zigarettenqualm. In einer Ecke stand eine fast in zwei Teile

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