Bad Moon Rising
verspannt?«
Diese spielerische Nummer mochte als Verteidigung gegen irgendetwas angefangen haben, sein Gewissen vielleicht, Erinnerungen, was immer ihm zugestoßen war. Nun gehörte es zu ihm wie ein Hut, den er nie absetzte. Die Leute, die ihn kannten, wären alarmiert gewesen, falls er seine Nummer jemals lassen würde. Ich suchte nach einem Gefühl dafür, worum es in der Beziehung zwischen Konstantinov und ihm ging, aber es waren zu viele Dinge gleichzeitig im Schwange. Der Russe wirkte intensiv und abwesend zugleich, wie ein Stern durchs Teleskop.
»Um Ihre Frage zu beantworten«, sagte Walker zu Cloquet, »wir wollen gar nichts von Ihnen. Wir waren so überrascht, Sie bei Merryn zu sehen, wie Sie uns.« Als Cloquet sichtlich nicht entspannter wurde: »Okay, hören Sie zu. Ich hab kapiert. Sie sind misstrauisch. Ich fang an.«
Ich versuchte, mich an den Glauben zu halten, dass die Freundlichkeit nur eine sadistische Ader war, um unser Entsetzen zu verstärken (und also ihr Vergnügen), wenn der Augenblick gekommen war, sie abzulegen, und wir erkennen mussten, dass wir darauf hereingefallen waren. Doch je länger Walker redete, umso schwerer war es, sich nicht entwaffnen zu lassen. Die WOKOP, berichtete er uns, hatte sich gespalten. Ellis’ Pläne, Grainer und die an den Schlüsselpositionen Sitzenden zu eliminieren, war auf ihn zurückgefallen. Es war ein Programm in Gang gesetzt worden, um die Angehörigen der Rebellenfraktion »zu identifizieren und zu eliminieren«; zu Beginn hatte es auf Spionage beruht, doch hatte sich bald stalinesker Verfolgungswahn herausgebildet. Agenten, die nichts mit Ellis zu tun gehabt hatten, wurden »enttarnt«, vors Kriegsgericht gestellt und exekutiert. »Sie wissen ja, wie das geht«, führte er aus. »Die Leute werden wegen verdächtiger Sonnenbrillen verhaftet oder wegen eines falschen Haarschnitts. Die Organisation hat in den letzten vier Monaten über zweihundert eigene Leute umgebracht.«
»Und Sie gehörten also zu den Rebellen?«, fragte ich. Überrascht von meiner eigenen Langsamkeit, erinnerte ich mich, dass auf dem Plan der Abtrünnigen stand, die eigene Arbeit dadurch zu erhalten, indem man die Zahl der Werwölfe wieder erhöhte. Weltorganisation zur Kreation Okkulter Phänomene. Und wenn es dann so weit war …
»Nein«, antwortete Walker. »Ich meine, ich versteh das schon – Ellis’ Logik war nachzuvollziehen: Die Organisation schaffte sich selbst ab – aber ich hatte sowieso schon genug von dem Job. Außerdem konnte ich Ellis nicht ausstehen. Zu weiß und zu durchgeknallt. Ich hab mir immer vorgestellt, er hat so Alien-Genitalien. Vielleicht ein Hoden, aus dem Dornen ragen. Oder so etwas wie eine Artischocke. Jedenfalls kriegte ich bei ihm Angstzustände.«
Langsam bekam ich eine Vorstellung von Walker. Ich konnte gar nicht anders. Ein früher Verlust oder irgendwelche Gewalterfahrungen hatten die Besonderheit dessen, womit er sein Leben verdiente, irrelevant für ihn werden lassen. Er war viel zu jung durch einen Schock auf die Wahrheit gestoßen, dass nichts irgendetwas bedeutete. Das Lächeln, die Freude, die Kleidung, all das rührte daher. Sein Spiel wehrte sich gegen diese Wahrheit. Er konnte spüren, dass ich es ihm ansah. Das erregte ihn, machte ihn aber auch nervös, brachte ihn zu dem Ereignis zurück, das seinen Kontrakt mit dem Leben zunichtegemacht hatte, zu dem Ding, um das seine Identität diese traurige strahlende Perle gebildet hatte. Liebe. Oder Tod. Oder beides. In der Zwischenzeit erhob sich ein Teil von mir, verschränkte die Arme, schürzte die Lippen und schüttelte über den Rest von mir, das Durcheinander, den Kopf. Tatsächlich? Das? Jetzt?
»Wenn Sie nicht bei den Rebellen waren«, fragte ich, »warum ist die Organisation dann hinter Ihnen her?«
Pause. Ein Blickkontakt zwischen Konstantinov und ihm.
»John Murdoch hat den Posten von Grainer übernommen«, erklärte Walker. »Er führt die Operationen. Er ist kein Fan von mir.«
Pause.
»Rein persönlich.«
»Er hat mit Murdochs Frau geschlafen«, erklärte Konstantinov ganz neutral.
»Ja, habe ich«, bestätigte Walker mit einem ernsten Gesicht, das er nicht ernst nehmen konnte. »Und ich bezeuge hier und jetzt, dass es ein guter, ehrlicher und schöner Augenblick zwischen zwei Menschen in einer chaotischen Welt war. Angela ist ein guter Mensch. Sich von diesem Psychopathen zu trennen war das Beste, was sie je getan hat, und falls ich ihr dabei helfen konnte, freue
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