Bad Moon Rising
erziehen, ungeniert zu sein, elitär, triumphierend, sie würde geliebt werden für das, was sie war, eine auf natürliche Weise zur Welt gekommene Werwölfin. Dann das mit den Jungs. Und kein Jake, um die Rolle des ängstlichen Vaters zu spielen. Cloquet würde ihr peinlich sein. »He, Zoë, dieser französische Typ ist doch schwul, oder? Oder so eine Art Eunuch oder was?« Sie würde mich nach ihrem Vater fragen, und ich würde mich nicht bremsen können. Ich würde einen Teil von ihm an sie verlieren, an den Zauber der Toten. Sie würde in den Jungs nach ihm suchen, und dann würde der ganze Ärger anfangen.
Aber der Herr verstockte das Herz Pharaos –
»Wir sollten verschwinden«, meinte Cloquet. Er war oben gewesen und hatte die Zimmer durchsucht. »Tut mir leid. Vielleicht hast du recht und es gibt irgendwo etwas, aber wir brauchen eine Woche dafür. Vielleicht sollten wir doch morgen die Assistentin aufsuchen? Vielleicht weiß sie was.«
Weit hergeholt. Aber was hatten wir sonst in der Hand, jetzt wo Merryn tot war? Mein Plan, das Haus zu durchsuchen, war die reinste Verzweiflung gewesen, und um es richtig zu machen, würde es Stunden dauern. Trotzdem, der Gedanke, einfach wegzugehen, ohne eine Spur zu meinem Sohn gefunden zu haben, war unerträglich. Wir brauchten Informationen.
»Ich schau mich mal um«, erklärte ich. Zoë war fertig. Ich legte sie mir über die Schulter und stand auf; plötzlich wurde mir schwindlig. Der Restgestank des Untoten war mir schon seit unserer Ankunft auf den Magen geschlagen. »Wir werden diese Chance nie wieder bekommen. Es muss doch etwas geben, eine Rechnung an eine ihrer Firmen, eine E-mail … ach, verdammt, ich weiß nicht.« Ich trat hinter dem Schreibtisch vor, schlug mir das Knie an der Kante an und schloss einen Augenblick die Augen, um den Schmerz zu verkraften.
Ich hatte sie noch immer geschlossen, als eine männliche amerikanische Stimme sagte: »Nicht bewegen, bitte.«
17
Ich schlug die Augen auf. Ein gutaussehender, jungenhafter Bursche mit wirren braunen und blonden Haaren stand in der Tür zum Arbeitszimmer und hielt eine Waffe direkt auf Cloquet gerichtet. Mit beiden Händen. Ohne Zittern. Ein Profi. Phantastische blaugrüne Augen und ein Mund, der lächeln wollte. Levis, rotkariertes Hemd, blassgrüne Kampfjacke. Ein Geruch von nasser Kleidung und müder Haut. Er wirkte wie fünfundzwanzig, aber etwas verriet einem, dass er zehn Jahre älter war. Ein Charmeur, wäre die allgemeine weibliche Meinung zu ihm.
»Hallöchen«, sagte er, und der Mund lächelte, was aussah wie Freude, am Leben zu sein. »Alle Waffen, ganz langsam raus damit und auf den Boden.« Der Akzent war von der Ostküste, vielleicht sogar New York. Ich fragte mich, ob ich ihm jemals auf der Straße begegnet war oder in der U-Bahn neben ihm gesessen hatte. Ich konnte ihn mir gut im Veselka mit einem verzückten Mädchen aus dem East Village vorstellen, die nicht ahnte, dass er ohne Arglist und ausgiebig auch mit ihrer Mitbewohnerin vögelte. »Cloquet, Sie zuerst. Miss D, bitte keine Akrobatik mit dem Kind.«
»Wer sind Sie?«, wollte Cloquet wissen.
»Erst die Waffen, dann die Honneurs. Jetzt, bitte. Langsam.«
Cloquet steckte die Hand in die Jacke und zog eine Beretta aus dem linken Schulterholster. Im rechten Holster trug er eine Luger, rührte sie aber nicht an. Ich trug eine Smith und Wesson M&P (zur Verfügung gestellt von Aegis) in einem Rückenholster unter der Jacke. Danach zu greifen war unmöglich.
»Okay, schieben Sie sie rüber zu mir. Gut so. Hätte ich nicht besser machen können. Und nun, Monsieur Cloquet, Gesicht nach unten auf den Boden, Hände auf den Kopf. Denken Sie Toupét, denken Sie Wind.«
Ein zweiter, ebenfalls bewaffneter Mann tauchte neben dem Schützen auf. Größer, älter, dunkle, graumelierte Haare. Schwarze, vor Erschöpfung polierte Augen. Mitternachtsblaue Jeans und eine Donkeyjacke. Er nickte dem Jüngeren einmal zu: oben alles sauber.
»Okay. Phantastisch. Miss D, sind Sie bewaffnet?«
»Ja.«
»Sie kennen die Nummer. Kriegen Sie das hin?«
Ich hielt Zoë (die mir ein wenig auf die Schulter gespuckt hatte) fester und griff langsam nach der Waffe im Rückenholster. Ich beugte mich vor und legte sie auf den Boden. Der Ältere klopfte Cloquet ab – woraufhin die Luger entdeckt und kommentarlos entfernt wurde, so dass wir alle sie sehen konnten. New York kam zu mir. »Angesichts dessen«, sagte er, »tut es mir leid, aber …« Er
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