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Bad Moon Rising

Bad Moon Rising

Titel: Bad Moon Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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worden sein. Ein großer, glitzernder Kastanienbaum überspannte das von Säulen getragene Vordach. Hinter den geschlossenen Vorhängen im Erdgeschoss brannte Licht. Das obere Stockwerk war dunkel. Der nasse Rasen gab einen schweren, friedlichen Duft von sich.
    Draper kam uns an der Eingangstür entgegen, schloss sie hinter uns und gab uns Latexhandschuhe. »Keine Ahnung, wonach Sie hier suchen«, meinte er, »aber was es auch ist, Sie haben nur fünf Minuten. Fängt das Baby an zu weinen, sind wir auf der Stelle weg, keine Widerrede. Verstanden?«
    »Kapiert.«
    »Sind Sie sicher, dass Sie das sehen wollen?«
    »Wir müssen.«
    »Und es wird Ihnen nicht kotzübel oder so?«
    »Nein«, antwortete ich und ging an ihm vorbei, »wird uns nicht.«
    Die Leiche der Haushälterin lag am Fuß der Treppe in einem See aus geronnenem Blut, das Gesicht nach unten, ein Bein angewinkelt, das andere im Gelenk vollkommen verdreht. Ihr Hals sah nicht aus, als sei er gebissen, sondern ungestüm mit einer Maschine behandelt worden. Adern waren zu erkennen: Vena jugularis interna und externa , Arteria pharyngea ascendens , Arteria thyroidea . Luft- und Speiseröhre waren durchtrennt. (»Lern Anatomie«, hatte Jake mir geraten. »Das hilft. Wie glaubst du, kommen Ärzte sonst damit zurecht, solche Arschlöcher zu sein?«) Sie war Anfang fünfzig, hatte honigblond gefärbte Haare, graue Haarwurzeln. An ihren Stirnfransen baumelte eine Schildpatthaarspange. Cremefarbener Wollpullover, marineblauer Rock. Das vollkommen verdrehte Bein rief all die Puppen in Erinnerung, die Lauren und ich jemals misshandelt hatten. Ein Schuh fehlte, man sah ihren erstaunlich gepflegten Fuß mit den pfirsichfarben lackierten Nägeln. Ich sah eine alleinerziehende Mutter vor mir, einen Kerl, der sie nicht gewürdigt hatte, ein Leben, in dem sich nun ein Loch befand, nachdem die Kinder aufs College gegangen waren, einen Hauch von unerwartetem, spätem Glamour, für Merryn arbeiten zu können.
    Drapers Erstaunen über meine Kaltblütigkeit war mit Händen zu greifen. »Die anderen sind hier drin«, sagte er und runzelte die Stirn.
    Wir folgten ihm in ein großes Arbeitszimmer: Bücher vom Boden bis zur Decke, ein grünes Ledersofa, ein riesiger Schreibtisch aus dunklem, rotem Holz, ein goldfarbener Perserteppich, ein Kamin, in dem das Feuer schon lange erloschen war. Das Zimmer wurde von einem Kronleuchter erhellt und war voller Paillettenfunken. Khan stand mit Pistole und Schalldämpfer in der Hand am geschlossenen Vorhang im Fenster und hielt Wache. Nach seinem zweimaligen Hingucken zu schließen, als wir hereinkamen, war klar, dass er zwischen dem Wagen und hier die Existenz des Babys schon wieder vergessen hatte. »Himmel«, sagte er. »Das ist völlig surreal.«
    Den beiden Wachleuten war in den Kopf geschossen worden; sie lagen wenig spektakulär nebeneinander auf dem Bauch. Merryn – nach der auffälligen Position, in der er sich befand, ging ich davon aus, dass es sich um Merryn handelte – war an Kehle und Leiste massiv aufgerissen worden, jemand hatte sich an ihm ergötzt und ihn dann in einer sitzenden Haltung und mit offenen Armen auf das Sofa platziert. Ich hielt ihn für Anfang sechzig. Er hatte lange Gliedmaßen und ein langes Gesicht, dazu eine Hakennase und eine hohe Denkerstirn, aus der sich die grauen Haare zurückgezogen hatten. Sein Mund stand offen, die Augen waren geschlossen. Er sah so aus, als würde er auf die Oblate beim heiligen Abendmahl warten.
    Die Überreste des Vampirs lagen auf dem Boden neben dem Fenster. Soweit ich beurteilen konnte, fehlte ihm der Kopf. Der Körper war schon sehr weit verwest: Der Brustkorb war eine schwarze, glibbrige Pfütze, die Rippen Holzkohlenstummel; ein Oberschenkel war noch erkennbar, auch der linke Fuß, lang und zart, darin schwarz und in klarster Genauigkeit das tote Kapillarsystem. Zehennägel aus poliertem Glas. Alles andere verging schnell.
    »Wollen sie uns sagen, worum es hier geht?«, wollte Khan wissen.
    »Das können wir nicht«, erwiderte Cloquet. »Wir wissen es selbst nicht.«
    »Ich nehme an, Sie wissen, wonach Sie suchen?«, hakte Draper nach.
    »Schauen Sie, ob er sein Telefon bei sich hat«, bat ich Cloquet und deutete auf Merryn, während ich selbst in den Resten des Blutsaugers herumstocherte. »Ein Adressbuch, irgendwas.«
    Nichts. Alle sechs Schubladen im Schreibtisch lagen auf dem Boden, alle sechs waren leer. Ich sah im Kamin nach. In Filmen fand man immer eine gerade genug

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