Bad Moon Rising
ein willkommener Schock nach dem harten Abend und all dem verbrauchten Adrenalin. Ich schloss die Vorhänge. Ich schickte den Pagen mit einem Fünfziger und einer Liste mit Babybedarf zum nächstgelegenen 7–Eleven, und zwanzig Minuten später war Zoë wieder mit Pampers und Sudocrem herausgeputzt. Ich stillte sie (mit dem Rücken zu Walker; gegenseitiges Verständnis ohne jede Peinlichkeit; ein Nicken, das erotische Pulver trocken zu halten), während Walker Konstantinov anrief und ihn auf den neuesten Stand brachte. Keine Neuigkeiten über Jacqueline von ihrem Insider bei der WOKOP. Ich legte mir Zoë an die Schulter, rieb, klopfte, summte und ging auf und ab. Walker goss sich einen Laphroaig aus der Bar ein. Fünf Minuten und einen wenig damenhaften Rülpser später war mein Baby eingeschlafen. Ohne Wiege konnte sie nur im riesigen Bett schlafen. Ich legte sie hin, umringte sie mit vier monströsen Hotelkissen. Dann rief ich den Empfang an und hinterließ eine Nachricht, die ›Monsieur Rennard‹ bei seiner Ankunft übermittelt werden sollte: Melden Sie sich an. Gehen Sie auf Ihr Zimmer. Warten Sie auf meinen Anruf.
Walker bekam das alles mit.
Ich legte auf, und da waren wir und sahen uns an.
Die Schüsse und die Autojagd hatte uns hierhergebracht, und nun war jedes weitere Hinauszögern – und was anderes wäre es nicht gewesen – sinnlos. Wir standen drei Meter auseinander und sahen uns an. Ich fragte mich, ob es für seinen Geschmack noch immer zu kurz nach der Geburt war. Oder, um mich weniger vage auszudrücken, ob ich noch zu dick war. Das Gewicht war post partum rapide (wie auch nicht?) gefallen, aber ich war noch lange nicht bei meinen üblichen zweiundfünfzig Kilo angekommen, die ich gewogen hatte, seit ich achtzehn war, und auch der Fluch hatte nichts daran geändert. (Zumindest, was das menschliche Gewicht anging.) Ich hatte mich bisher nur ein einziges Mal verwandelt gewogen, nach dem neunten Opfer: ein Witwer in einem spinnenverseuchten Haus mit hohen Räumen im Parc National des Cèvennes, der aus irgendeinem Grunde in seiner Küche eine uralte Balkenwaage stehen hatte. Müde und satt, hatte ich mich blutverschmiert daraufgestellt. Die Waage zeigte 185,5 an. Das schien unmöglich – bis mir klar wurde: Kilogramm. Ich musste warten, bis ich wieder menschlich war, um das auszurechnen. Vierhundertneun amerikanische Pfund. (›Hi, Lauren, ich bin’s, Lu. Ich weiß, wir haben uns seit Jahren nicht gesehen, aber ich dachte, das könnte dir gefallen …‹) In der Schwangerschaft hatte ich mich nicht damit abgegeben, mich zu wiegen, aber ich dürfte wohl mindestens vierundsechzig Kilo gewogen haben. Nun war ich wohl wieder auf achtundfünfzig Kilo. Sechs Kilo in sechs Tagen. Ein menschlicher Rekord, wenn ich denn ein Mensch gewesen wäre. Ich hatte noch immer einen frechen kleinen Bauch, und meine Brüste waren doppelt so groß wie zuvor (wobei 70 C auch in doppelter Größe nicht viel hermacht), aber ansonsten war ich halbwegs wieder bei meinen vorherigen Ausmaßen angekommen.
Und nun standen also Walker und ich da und sahen uns an, wie man sich eben ansieht, wenn man dasteht und sich ansieht. Ich wusste, je länger wir warteten, umso mehr würde ich auf den Gedanken kommen, dass es nicht gut genug sein würde, ganz gleich, wie gut es war, also ging ich zu ihm und stellte mich nah genug vor ihn, dass sich unsere Körperwärme berührte. Die Schwerkraft brachte seine Hände an meine Taille. Wolf in mir machte leise Fiesta, ja, aber es war auch menschlich gut, angefasst zu werden, allein zu sein mit jemandem bei dem heimlichen Gelage, das bis auf Adam und Eva zurückging. Man sah sich an und spürte, wie uralt dieser Kontrakt war, die warmgesichtige Hingabe zu dem Abenteuer, dem gemeinsamen Schritt aus dem Licht in die lohnenswerte Dunkelheit.
Verschiedene Kräfte wirbelten ihn durch. Verlangen war die eine. Angst die andere. Das Wissen, dass er sich selbst zurücklassen würde, wenn er dies täte. Das Eingeständnis, dass er genau dies tun wolle. ›Ich wollte eh aussteigen‹, hatte er über die WOKOP gesagt. Das war das Verhaltensmuster seines Lebens, bis zurück zu dem Ereignis, das ihn aus der Bahn geworfen hatte; er fing etwas an, legte sich eine neue Haut zu, doch früher oder später legte er sie unweigerlich wieder ab und zog weiter. Nur das Lächeln und das Strahlen blieben. Und die gütige Begehrtheit, der unfehlbare Charme.
Ich küsste ihn. Sein Mund schmeckte nach Laphroaig,
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