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Bad Moon Rising

Bad Moon Rising

Titel: Bad Moon Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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Herz geschossen? Beeindruckend. Mein letzter Liebhaber hat Frau und Kind verspeist. Du weißt ja, ich treibe mich mit einer ziemlich rauen Bande herum. Frag Delilah Snow.‹
    »Ja«, sagte er leise, so als hätte ich es laut ausgesprochen. »Ich weiß.«
    Das war alles. Dieser Austausch hatte uns beide traurig gestimmt, aber das hatten wir ja schon vorher geahnt. Jemand, der einen frühen Flug erwischen musste, zog einen Rollkoffer über den mit Teppichboden ausgelegten Hotelflur. Ein verspäteter Anflug von Mitleid mit Walker stieg in mir auf, und ein paar Sekunden lang schwebte ich zwischen dem Verlangen, mich ihm zuzuwenden und ihn aus animalischer Sympathie zu berühren, und dem Wissen, dass das auf lange Sicht nichts nutzen würde.
    An dieser Stelle geschah etwas Merkwürdiges. Ich dachte daran, wie mein Dad manchmal die Hand meiner Mom genommen und sich ans Gesicht gedrückt hatte, weil er das Gefühl und den Geruch ihrer Handfläche liebte und weil er einer dieser Männer war, die immer danach suchten, sich letztendlich ganz in einer Frau aufzulösen. Und ich dachte daran, wie meine Mom das einfach mit sich geschehen ließ. Warum sollte ihre Handfläche auf seinem Gesicht ihm auch nicht guttun? Dieses Bild von meiner Mom, die sich weiter mit mir unterhielt, während mein Dad ihre Hand nahm und sich vor sein Gesicht legte, gab den Ausschlag (und gemahnte mich mit einem plötzlichen inneren Temperatursturz an das andere Gleichgewicht, das da kippte); ich drehte mich zu Walker um und küsste ihn.

    Ich träumte nun jede Nacht von Lorcan, mit all den Verschiebungen und Überlagerungen von Identität, die es im Traum gibt, aber stets in derselben Struktur: Verzweiflung, Hindernisse, Verlust. In einem wiederkehrenden Albtraum war ich in dem Haus in Park Slope. Ich konnte ihn in einem der oberen Zimmer hören. Im Haus war einiges los, Verwandte bereiteten ein Essen zu, Dad beaufsichtigte sie leicht angetrunken, meine Mutter unterhielt sich am Telefon. Die Atmosphäre war warm und träge, und es dauerte eine Weile, bevor ich von ruhiger Neugier (wo ist er eigentlich?) zu nervösem Selbsthohn überging (mach dich nicht lächerlich, er ist oben!), dann zu leicht überdrehter Entrüstung (wo ist er verdammt nochmal?) und zu blanker Panik (oh Gott, bitte …), und ich ging von Zimmer zu Zimmer, fand ihn nicht, bis ich im letzten Zimmer die Tür zum Wandschrank öffnete, dort aber keinen Schrank vorfand, sondern einen steilen Sturz ins Schwarze, tosendes Wasser, so weit das Auge reichte.

    Ich sollte das Hotel nicht verlassen (abgesehen von Walkers Aufforderung, sich bedeckt zu halten, war da noch Cloquets üblicher Verfolgungswahn), doch am sechsten Tag hielt ich es nicht mehr aus. Ich bekam in den Zimmern keine Luft mehr. Ein mir die Luft abwürgender Druck stieg aus den Teppichen auf.
    Zumindest sagte ich das Cloquet. In Wahrheit ließ mich das Erlebnis der Gänsehaut nicht mehr los. Seit Hammersmith nicht. Es war wie ein dauerhaftes Geräusch. Es wurde in der tiefen Stille der Suite nur noch lauter, schlich sich in das bisschen Schlaf, das ich noch hatte, und tobte manchmal los, wenn ich zum Höhepunkt kam. Wolf, normalerweise in der ruhigsten Zeit des Monats (zehn Tage seit dem letzten Erscheinen, achtzehn Tage bis zum nächsten), rotäugig und wach, stellte die Geisterohren auf, reckte verdutzt die Geisterschnauze. Es half alles nichts. Es würde keinen Frieden geben. Was immer es war, es war da draußen, und ich hatte genug davon, nichts zu wissen. Ich sagte zu Walker kein Wort davon, er hätte nur versucht, mich aufzuhalten.
    Als ich gerade die weißblonde Perücke aufsetzte, sah Cloquet nach mir. Durch die Fenster der Suite, die auf den Hyde Park hinausgingen, sah man hohe, helle Wolken und Bäume, deren letzte Blätter zitterten. Ich wollte die kalte, sanft peitschende Luft an Händen, Gesicht und Hals spüren.
    »Du gehst raus«, stellte er fest. Ja, er war zornig über die Liaison mit Walker, aber vor allem, weil er dachte, er habe meinem Vertrauen in ihn irreparablen Schaden zugefügt. Auch ihm hatte ich nicht von meinem Schrecken erzählt, von der Gänsehaut. Es hätte nichts genützt. Er war sowieso schon nervös genug. »Ich wollte nur sehen … ich wollte nur sehen, ob du etwas brauchst.«
    Er brauchte nur etwas Gesellschaft, hieß das. In den letzten paar Tagen war unser Verhältnis bis auf die letzten funktionalen Knochen abgefieselt worden. Plötzlich wurde mir klar, wie sanft er mit Zoë umging, wann

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