Bad Moon Rising
große Löcher in der Ziegelwand herein. Eine angeschlagene Steintreppe zog sich an einer Wand nach oben. Konstantinov, Hudd und Carney waren oben und gingen Zimmer für Zimmer durch. Der Gorilla mit dem Fußballtrikot lag tot in der offenen Haustür. Eine zweite Leiche lag neben der Treppe, eine dritte war mit dem Gesicht nach unten in der Nebenkammer zu sehen.
»Hier durch«, sagte Walker.
Ich folgte ihm in die wohl ehemalige Küche, wo Pavlov an einer Tür, von der aus weitere Steinstufen nach unten führten, Wache hielt.
»Wir warten auf die Freigabe von oben«, erklärte Walker.
Es folgten ein paar angespannte Minuten. Zu sagen gab es nichts. Das Haus, das keine andere Wahl hatte, bot uns seine zerstörten Einzelheiten dar: ein von Sonne beschienener Fleck gelblich grüner Flechten; Stücke von verrottetem Holz; gruslige Spinnweben; der Geruch von feuchtem Stein, Katzenpisse und Moder. Jede Sekunde erhöhte noch die Abstrusität, wie bei Fremden, die zusammen auf den Fahrstuhl warten. Dann kam Konstantinov durch die Tür, gefolgt von Carney und Hudd. Die Zimmer oben waren leer.
»Okay, also, ich finde, hier ist –«
Konstantinov wartete gar nicht erst. Er ging wortlos an Walker vorbei und die Treppe hinunter.
»Pav, du hältst hier Wache«, sagte Walker und folgte Konstantinov ins Dunkle. Ich ging hinterher, Hudd und Carney blieben mir auf den Fersen.
Kalte Luft stieg auf. Die Treppe war schmal, steil, bemoost und feucht, aber die beiden Vorderleute und Hudd hinter mir beleuchteten den Weg mit Taschenlampen. Vierzehn Stufen. Drückende Hitze und stinkendes Adrenalin von den vier menschlichen Körpern. Wolf schwoll an und stach direkt unter der Haut. Erinnerungen an die Morde blühten auf: der Schwanz des französischen Witwers auf dem Boden, wie eine Riesengarnele in einer Blutpfütze; die Beine des mexikanischen Zuhälters, die wiederholt strampelten, obwohl ich mit meiner Hand ellbogentief unter seinen Rippen wühlte. Etwas mühte sich in meinem Verstand nach vorn, hatte sich schon zu formen versucht, als wir noch an der Tür oben an der Treppe gewartet hatten.
»Mikhail!«, zischte Walker. »Himmel, mach langsam.«
Konstantinov hatte sich schnell von der Treppe fortbewegt und brach die Dunkelheit abschnittsweise mit seiner Taschenlampe auf. Der Raum hier unten nahm die halbe Grundfläche des Hauses ein. Nackte Steinwände und Böden, Reste von zerschlagenen Holzkisten und Flaschen, rostige Öldosen, durchhängende Regale, noch mehr wirre Spinnweben.
»Okay, alles abchecken«, befahl Walker. »Immer mit der Ruhe, meine Herren. Miss D, bleib in der Nähe. Pavlov, alles in Ordnung da oben?«
»Ja«, antwortete Pavlov. »Lasst euch Zeit.«
Das Team arbeitete sich mit gezückten Waffen und Taschenlampen an den Außenwänden vor. Konstantinovs stumm tobende Energien waren in der Dunkelheit fast greifbar. Wir anderen waren von ihm abgefallen: Er war allein im unergründlichen Universum.
In der Zeit, die wir benötigten, um alles zu kontrollieren, hielten wir uns mit einem Urteil zurück, doch keiner von uns hegte irgendwelche Zweifel: Hier unten war niemand.
Konstantinov suchte auf Knien den Boden ab – nach einer Falltür oder einem Zugang zu einer weiteren Etage. Tollpatschig schlossen sich Carney und Hudd ihm an. Der Gedanke, der sich in meinem Verstand nach vorn mühte, kam mit dem merkwürdigen inneren Gefühl von Wolf, der plötzlich um sich krallend fiel, endlich dort an. Ich konnte nicht fassen, dass es so lange gedauert hatte. »Walker«, sagte ich. »Wenn er hier wäre, hätte ich ihn schon längst erspürt.«
»Was?«
»Meinen Sohn. Und die Vampire. Sie sind nicht hier. Es riecht nach nichts.«
Konstantinovs methodisches Vorgehen löste sich in nichts auf. Er stand auf und fuhr mit den Händen über die nächstgelegene Wand.
»Mike?«, sagte Walker. »Hier stimmt was nicht.«
Konstantinov hörte nicht auf ihn.
»Pavlov«, rief Walker. »Bei dir irgendwas?«
Keine Antwort.
»Pavlov, hörst du mich?«
Stille.
Carney und Hudd sprangen mit angelegten Waffen auf. Konstantinov lehnte den Kopf an die Wand. Die Taschenlampe in seiner Hand zeichnete eine sinnlos ungestüme Ellipse auf den feuchten Stein.
»Hier«, sagte ich zu Walker und reichte ihm die Pistole. »Nimm sie. Du brauchst sie mehr als ich.«
Oben fanden wir Pavlov mit einem winzigen Pfeil im Nacken bewusstlos vor. Das Land rings ums Haus war wieder wachsam. Wolf in mir war verwirrt und wütend, so als hätte eine
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