Bad Moon Rising
Konstantinov. »Los.«
»Okay, wir haben hier zwei Gorillas, wiederhole zwei Gorillas in Sicht, beide mit Maschinengewehren bewaffnet. Erster direkt vor dem Haupteingang, marineblaues Fußballtrikot, schwarze Lederjacke. Zweiter dreht langsame Runden auf dem Dach, grünes Sweatshirt, Sonnenbrille, schwarzes Wollkäppi. Bestätigen.«
»Verstanden.«
»Auf mein Zeichen hin kommt ihr durch den Obstgarten. Haltet euch niedrig, bewegt euch schnell, dann seid ihr hier, bevor die Dachwache wieder auf dieser Seite ist.«
»Roger. Auf dein Zeichen.«
Wir brauchten keine zwei Minuten, und als wir bei Walker und Hudd eintrafen, war der Gorilla auf dem Dach noch nicht wieder aufgetaucht. »Wir müssen näher ran«, sagte Walker. »Das ist ein großes Haus. Da könnten fünfzig Kerle drin sein.«
»Ermittlungen sagen vier«, widersprach Konstantinov völlig emotionslos.
»Mike, du weißt, wir haben nur diesen einen Versuch.«
»Wir müssen näher ran«, stellte Hudd fest. Sein kahler Schädel, die vorquellenden Augen und der schwarze Ziegenbart ließen ihn wie eine chaotische Gottheit aussehen. Jetzt brauchte er nur noch wie ein Maori die Zunge herausstrecken. »Wir sehen neunzig Prozent nicht. Es gibt drei Etagen, verdammt nochmal.«
Ich wusste, was Walker dachte: Selbst wenn sie näher gingen und fünfzig Kerle entdeckten, nichts würde Konstantinov zurückhalten.
»Wartet hier«, sagte Konstantinov – und bevor noch irgendjemand widersprechen konnte, hatte er den Garten hinter sich gelassen und sprintete erstaunlich tief geduckt über die offene Fläche bis an die Hauswand.
»Herr im Himmel«, murmelte Carney.
Nach all der Anschleicherei wirkte Konstantinov erschreckend sichtbar. In den paar Sekunden, die er sich offen gezeigt hatte, schien es, als würde die Sonne noch aufdrehen, damit er auch ja gesehen werden würde. Aber er schaffte es bis zum Ende des Hauses und drückte sich mit dem Rücken an die Wand.
»Gar nicht mal so schlecht«, flüsterte Pavlov und hielt sein Mikro zu. »Aus diesem Winkel kann ihn der Typ an der Haustür nicht sehen, und der Kerl auf dem Dach sieht ihn erst, wenn er bis an die Kante tritt und senkrecht hinunterschaut.«
Zwei Meter neben dem Russen war ein Fensterloch – kein Glas. Er ging langsam darauf zu. Stellte sich hin. Bewegte sich ganz langsam vorwärts und wagte einen Blick hinein. Machte ein Zeichen. Leer. Schnell bewegte er sich am Fenster vorbei zur Rückseite des Hauses. Er blieb stehen. Dann glitt er um die Ecke.
Eine Minute verging. Zwei. Vier. Fünf. Walkers Flanke neben mir strahlte Hitze ab. Das Dorchester schien Wochen her. Zum ersten Mal seit der Entführung ging mir durch den Kopf, welch blanke Erleichterung es sein würde, meinen Sohn wieder bei mir zu haben – doch Wolf versaute alles: es kam ihm in die Quere. Er war ungeduldig. Der Geruch der vier Leiber, die so nah waren, zerrte vorzeitig am Hunger.
Konstantinov tauchte erneut an der hinteren Ecke auf. Er hielt drei Finger hoch. »Pavlov«, sagte Walker, »der Typ auf dem Dach, jetzt.«
Pavlov stand auf, hob die AK-47 und feuerte eine kurze Salve, die den Himmel zu zersplittern schien. Die Dachwache fiel rücklings. Wir hörten seine Waffe klappern. »Jetzt!« befahl Walker – und wir alle stürmten los. Konstantinov sprang durchs Fenster ins Haus. Das lange Gras war ein zum Verrücktwerden weiches Hindernis. Carney stolperte, fluchte, stand auf, spürte einen Schauer an Kugeln an sich vorbeiziehen und warf sich hin. Er sah mich ein wenig überrascht an, so als habe er überhaupt nicht damit gerechnet, beschossen zu werden. Die drei Sekunden zogen sich, verzerrten alles, dauerten eine Traumstunde lang. Pistolenschüsse drangen aus dem Haus. Walker sprang durchs Fenster. Carney und Pavlov gingen um die Rückseite des Hauses, Hudd blieb einen Augenblick an der gegenüberliegenden Seite stehen und verschwand dann ebenfalls. Wieder dröhnten zwei Schüsse. Dann Stille. Plötzlich lag die italienische Landschaft wieder in völligem Frieden da. Wolf krümmte und scheuerte sich in seiner menschlichen Falle, den unzulänglichen Armen und Beinen, den sich lächerlich abmühenden Muskeln. Ich wuchtete mich aufs Fensterbrett und ließ mich in den großen leeren Raum auf der anderen Seite fallen.
33
Zehn Meter vor mir führte eine Tür in den nächsten Raum. Walker tauchte in der Tür auf und bedeutete mir, ihm zu folgen. Der zweite Raum war noch größer als der erste. Tageslicht strichelte durch mehrere
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