Bad Moon Rising
würde. Sie wollte noch ein letztes Mal einem anderen Menschen so nahekommen wie nur irgend möglich. Doch ganz im Gegensatz zu dem, was das Kino sagt, ist es gar nicht so einfach, Sex im Flugzeug zu haben. Zum einen war die Maschine winzig. Der Arbeitsplatz der Kabinencrew befand sich praktisch im Klo. Zum anderen gab es ständig eine Schlange von Leuten, die darauf warteten, aufs Klo zu gehen. Ich saß also neben ihm, sagte kein Wort darüber und kam mir zunehmend absurder und verzweifelter vor und war letztlich am Boden zerstört, weil es offenkundig nicht dazu kommen sollte. Die andere Ohrfeige der Wirklichkeit auf diesem Flug war die Tatsache, dass ich keinen Gedanken darauf verschwendet hatte, was geschah, wenn ich plötzlich aufhörte, die Brust zu geben. Als die dritte Fütterungszeit vorbeigezogen war, fing die ungesäugte Milch an, sich mit Messerstichen zu melden. Hör mal, ich weiß, wir haben eine Mission zu erfüllen – aber würde es dir was ausmachen, wenn wir nach der Landung einen Laden auftreiben, der Milchpumpen verkauft? Ich tat alles Erdenkliche, um mir auf dem Klo ein wenig Milch abzupressen, warf ein paar Schmerztabletten ein und versuchte mir einzureden, dass es nicht allzu lange dauern würde, bis ich die Milch für Lorcan bräuchte.
Neben den Satellitenaufnahmen vom Haus gab es noch ein Foto von Konstantinovs Frau Natasha. »Jeder hat eine Kopie«, sagte Walker, »damit sie niemand aus Versehen erschießt.« Auf dem Bild sah eine Frau mit schlankem Gesicht und nach hinten gekämmten und gebundenen Haaren direkt in die Kamera, lächelte nicht. Kein Glamour, aber ruhige schwarze Augen voller durchdringender Seele. Sie könne einen direkt durchschauen, würden die Leute sagen. Sie wirkte mindestens fünfzehn Jahre jünger als Konstantinov, aber ich konnte mir die beiden gut zusammen vorstellen. Dieselbe Intensität. Keine Angst vor dem Tod – vor allem jetzt nicht, wo sie die Liebe hatten. Wäre sie mit Madeline in einem Raum, würden neun von zehn Männern sie übersehen. Konstantinov wäre der eine von zehn, für den es keine andere Frau in dem Raum gab. So funktionierte die Liebe in ihrer seltensten Form.
»Okay«, verkündete Walker. »Das wär’s.«
Wir hielten in einer schmalen, staubig weißen Straße, die an einem steilen Hügel entlangführte. Rechts von uns war der Hügel bewaldet, links lag unten offenes Ackerland. Siebzig Meter weiter führte die Straße hinter einer Biegung am Eingang zur Casa del Campanile vorbei, so jedenfalls die Karte. Wir sollten Walker und Carney zur Südseite des Obstgartens folgen und dort auf ihr Zeichen warten.
»Die Vampire werden natürlich unter der Erde sein«, erklärte Walker, nachdem wir uns ein Stück weiter unter den Bäumen versammelt hatten. »Die Gefangenen auch. Jemand wird auf das Kind aufpassen, also sollten wir davon ausgehen, dass sich noch mindestens einer, womöglich zwei im Keller befinden, ganz gleich, wie viele wir von den Menschenvertrauten hier oben erledigen. Alles klar?« Stumme, angespannte gemeinsame Bestätigung, eine verwässerte Version dessen, was ich mit den Wölfen in Alaska geteilt hatte. Carney reckte langsam den Daumen hoch, und aus keinem besonderen Grunde holte mich beim Anblick dieser Geste alles ein und sammelte sich in meinem Körper: der Schlafmangel, der Flug, das fremde Land, die Nähe meines Sohnes, die Erkenntnis, dass dies der Ort war – der nach altem Laub, kaltem Stein, totem Holz und vertrocknendem Gras roch –, an dem ich sterben könnte. Die Erschöpfung war da, doch Wolf schob sie beiseite. Nicht weil das Kind in der Nähe war, sondern weil es etwas zu verfolgen und zu töten gab. Es waren noch achtzehn Tage bis zur Verwandlung, aber der Mensch auf Jagd hatte das Geistertier heiß und zitternd an die Oberfläche gebracht. Ich konnte es in meinen Fingernägeln und Füßen, in Rückgrat und unter der Schädeldecke spüren. Ich konnte die Frustration darüber spüren, womit es sich zufriedengeben musste. Doch dank Wolf waren alle meine fünf Sinne brutal wach. Freude durchfuhr meine Gliedmaßen wie schnell wirkender Schnaps. Außerdem klang der Schmerz in meinen Brüsten ab.
Walker sah Konstantinov an. »Nicht mehr lange, Mike.«
Konstantinov erwiderte nichts.
32
Konstantinov, Carney, Pavlov und ich warteten eine uns sehr lang vorkommende Zeit an dem kaputten Zaun, wo der Wald auf den Garten stieß. Dann drang Walkers Stimme leise zu uns. »Hört ihr mich?«
»Roger«, antwortete
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