Bädersterben: Kriminalroman
Dafür würde er schon einiges tun. »Schlecht hört sich das Ganze nicht an, Svenja. Doch wie kann ich mich verkleiden?«
Svenja zerstreute seine Bedenken sofort. »He, Olli, die schlichte Nummer. Wo kannst du auf Helgoland schon ein Kostüm bekommen? Zieh dir doch einfach einen Müllsack über den Kopf. Dann bohrst du zwei kleine Löcher für die Augen und ein großes für den Mund hinein und fertig bist du.«
Begeistert war Olli von der Idee im ersten Moment nicht. Hallo, wie würde das denn aussehen? Aber vielleicht war das mit dem Müllsack gar keine schlechte Idee, denn nicht einmal Duckstein würde ihn erkennen, und er würde unbemerkt jede Menge Leute beobachten können. Er atmete tief durch. »Wo bekomme ich ein solches Teil her?«
Svenjas Stimme klang vergnügt. »Mein Süßer. Bei den Hummerbuden natürlich, wo denn sonst? Am besten gehst du zu Rickmers, der hat eigentlich alles. Seine Bude liegt am Ende der Hafenstraße. Du kommst auch ganz bestimmt?«
Olli hatte sich entschieden. Den Besuch bei der Rasmussen würde er sich für morgen aufsparen. »Ja, ich komme. Hoffentlich erkennst du mich auch, du kleine Ratte.«
Svenja lachte und gab ihm zum Abschied einen Kuss durch den Hörer, bevor sie das Gespräch beendete. Olli schüttelte den Kopf über sich selbst. Was hatte sie an sich, dass er für sie alle Pläne umschmiss? Er wusste es nicht. Sollte er Stuhr informieren? Nein, er war schließlich der Herr seines Handelns, und kriminaltechnisch gesehen war es sicherlich besser, verdeckt zu ermitteln.
Wie hieß der Laden mit den Müllbeuteln noch?
20 Laternenfest
Das Abendgeschäft schien im Hotel der Rasmussens mehr oder weniger gelaufen zu sein. Stuhr beobachtete durch die von den Essensdüften geschwängerte Luft Anna Maria Rasmussen, die geschickt an der Espressomaschine hantierte. Dann servierte sie ihm am Ende des Tresens den bestellten Latte Macchiato.
Sie legte ihm mit einem freundlichen Nicken einen in Zellophanhülle verpackten Keks und eine kleine Zuckerröhre hinzu und fragte indirekt nach seinem Wohlbefinden. »Na, haben Sie sich inzwischen ein wenig mit der Insel anfreunden können?«
Stuhr nickte wortlos und wies mit dem Finger durch die großen Panoramascheiben auf die Düne, die in diesem Moment eindrucksvoll von der untergehenden Sonne in goldene Farben getaucht wurde. »Das muss doch eigentlich ein Traum sein, hier bei diesem Ausblick zu arbeiten, oder?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, riss er vorsichtig die Zuckertüte auf und schüttete den Inhalt genüsslich auf den Kaffeeschaum, um das anschließende Versinken in das Heißgetränk zu genießen. Er trank aber nicht, sondern beobachtete Anna Maria Rasmussen weiterhin. Ihre Bewegungen wirkten routiniert, wie sie hinter dem Tresen hantierte, aber seine Anwesenheit schien sie zu verunsichern. War sie der Wolf im Schafspelz oder doch die liebende Ehefrau? Er traute ihr inzwischen beides zu.
Sie näherte sich wieder. Als sie den Zucker auf der Milchhaube bemerkte, suchte sie das Gespräch. »Oh, ein kleines Leckermäulchen. Richtig?«
»Nein, wohl kaum. Ich mache nur bei Kaffeespezialitäten eine Ausnahme, ansonsten vermeide ich Zucker weitgehend. Je älter man wird, umso mehr muss man aufpassen, dass man nicht aus den Fugen gerät.«
Sie seufzte. »Ja, ja, mein Mann klagt auch zunehmend darüber. Schauen Sie, dahinten sitzt er bei Bier und Korn. Ständig müssen seine Hosen geweitet werden.«
Erst jetzt bemerkte Stuhr, dass in der Ecke eine Männerrunde Skat spielte. »Tja, auf der Insel kann man im Winter wahrscheinlich schlecht Sport treiben, und im Sommer wird Ihr Geschäft vorgehen, vermute ich.«
Sie nickte. »Genau so ist es. Radfahren dürfen auf der Insel im Winter nur die Schüler, zum Joggen gibt es lediglich einen kleinen Rundweg auf dem Oberland, der von den Tretminen der Schafe übersät ist, und zum Baden muss man mit dem Dünen-Taxi im Halbstundentakt zur Nebeninsel übersetzen. Es ist schon nicht einfach, hier seine Figur in Form zu halten.«
Am Skattisch knallten jetzt die Trümpfe auf den Tisch, und wenig später stand der Verlierer fest. Die Stimme ihres Mannes hallte lautstark durch den großen Raum. »Ännchen, kannst du bitte noch einmal eine Lage reichen? Danke.«
Es war nicht zu übersehen, wie sich die Miene von Anna Maria Rasmussen verfinsterte. Sie bückte sich, um die Aquavitflasche aus dem Eisfach zu holen. Dann begann sie genervt, die Biere zu zapfen. Sie stellte vier Schnapsgläser auf das
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