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Bädersterben: Kriminalroman

Bädersterben: Kriminalroman

Titel: Bädersterben: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Geisler
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mitgegrölt. Allerdings nur für kurze Zeit, denn die weingeschwängerte Sängerin hob unerwartet nach dem Refrain bereits in der ersten Strophe den Zusammenhang von Text und Melodie auf. Vermutlich hatte sie den Liedtext nicht richtig gelernt, und so musste der Gitarrist das Spieltempo notgedrungen auf ihre Lesegeschwindigkeit absenken. Aufgrund der Dunkelheit in der Kneipe und einer offensichtlich fehlenden Lesebrille kam jegliches Tempo abhanden, sodass sie nur noch bruchstückhaft Wortfetzen in den Raum schleuderte. Die Situation erinnerte Olli ein wenig an Konfirmationsunterricht, wenn man Kirchenlieder mitsingen musste, die man nicht kannte. Der Gitarrist bemühte sich zwar, die größten Bruchstellen durch Dylaneske Einlagen mit der Mundharmonika zu übertünchen, was aber nicht durchgängig überzeugen konnte.
    Das Publikum schien dennoch zufrieden zu sein, und so wurde nach dem Ende des Liedes bereits lauthals Zugabe gefordert. Die Aussicht, schon nach zwei Liedern einigermaßen heil aus dem Auftritt herauszukommen, trug zwar merklich zur Aufheiterung der Stimmung des Gitarristen bei, allerdings nicht zu einer Leistungsverbesserung der Künstlerin, denn das zweite Lied schien noch weniger geübt zu sein. Da das Publikum jedoch ausgesprochen textsicher und sangesfreudig war, tat das der Stimmung keinen Abbruch. »Und der Haifisch, der hat Zähne, und die trägt er im Gesicht.«
    Klar, auch Olli kannte natürlich Mackie Messer, und selbst Svenja grölte lauthals mit. Der Gitarrist stellte sich mit dem Stampfen des Taktes zunehmend mehr auf das Singtempo des Publikums ein, und das Hildchen bemühte sich tapfer, wenigstens beim Refrain mit dem einen oder anderen vorgelesenen Wort Akzente zu setzen.
    Svenja ließ im Getümmel natürlich nicht locker, obwohl Olli versuchte, ein wenig ihren Streicheleinheiten zu entgehen. Unangenehm war es aber auch nicht, und so suchte er noch mehr ihre Nähe und flüsterte ihr ins Ohr. »Seltsam, wenn ich dieses Lied höre, muss ich an Dieter Duckstein denken.«
    Sie sah ihn erstaunt an und verstärkte ihre Aktivitäten unter dem Müllsack. »Du sollst nicht an Dieter Duckstein denken, du sollst an mich denken, mein Süßer.«
    Olli versuchte, sie zu beschwichtigen. »Klar denke ich nur an dich, mein Schatz. Ich weiß schon gar nicht mehr, wo ich noch hinsehen soll. Ich habe nur gemeint, der fehlt irgendwie jetzt bei dem Lied.« Er gab ihr einen Kuss. Sie war wirklich begehrenswert. »Na siehst du, Olli, es geht doch. Das ist endlich einmal die richtige Antwort. Ich dachte schon, du bist prüde. Im Übrigen fehlt Dieter nicht, der sitzt dahinten in dem Alkoven mit irgendeiner Schnalle. Sie ist vermutlich etwas Besseres, darauf steht er anscheinend.«
    Dieter Duckstein sollte hier sein? Tatsächlich, er trug wie heute Vormittag einen schwarzen Anzug mit weißem Hemd. Er hatte sich einen schwarzen Hut besorgt und eine Lederkrawatte umgebunden, was ihn in die Nähe der Blues Brothers rückte. Die Frau ihm gegenüber kannte Olli zwar nicht, aber nach Stuhrs Beschreibung konnte es sich durchaus um Anna Maria Rasmussen handeln. Verkleidet war sie nicht. Die beiden führten bei Mineralwasser ein temperamentvolles Streitgespräch wie ein altes zankendes Ehepaar. Ab und zu blitzten Ducksteins Zähne tatsächlich wie die eines Hais auf. Die beiden schienen äußerst vertraut zu sein, auch wenn sie sich nicht berührten.

     
    Svenja fühlte wohl mit ihren Händen, dass seine Aufmerksamkeit abgelenkt worden war, und nahm ihn jetzt ganz fest in den Griff. Olli fühlte sich hin und her gerissen. Sollte er nicht besser den Auftrag weiterverfolgen, anstatt seinem Begehren nachzugeben? Andererseits hatte er Stuhrs Auftrag bereits erfüllt, denn er hatte ganz eindeutig mitbekommen, dass sich die beiden sehr gut kennen mussten. Zudem war es für Stuhrs Sicherheit ausgesprochen wichtig, dass ihn Duckstein jetzt nicht erkannte oder Svenja irgendetwas mitbekam.
    Svenjas Händchen lockerte den Griff und küsste Olli leidenschaftlich. »Komm, wir hauen ab, mein Süßer.« Sie hakte sich bei ihm ein, so gut das bei seiner Plastikverkleidung ging, und stolzierte mit ihm zum Schlussakkord von Mackie Messer aus dem Lokal.
    Sie wollte ihn gegen den kühlen Nachtwind in die Richtung ihrer Wohnung ziehen. Olli stemmte sich dagegen. »Svenja, das geht nicht. Wir müssen schnell noch einmal zum Friedhof und meine Klamotten holen.«
    Sie umschlang ihn wieder leidenschaftlich mit einem Arm, und die andere Hand

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