Bädersterben: Kriminalroman
knapp zum Abschied und fuhr allein weiter. Gerade als er aus dem Rückspiegel mitverfolgen konnte, wie die beiden wieder in Streit gerieten, rief ihn sein aufgeregter Oberkommissar Stüber an.
»Chef, Volltreffer. Ich hoffe, Sie sitzen gut. Der Friedrich Rasmussen hat ein ellenlanges Vorstrafenregister. Zweimal Totschlag, mehrfach schwere Körperverletzung und viele Betrügereien. Er hat früher in Hamburg auf der Meile gelebt und scheint Schutzgelderpresser und Eintreiber gewesen zu sein. Sein Spitzname auf der Reeperbahn war übrigens Zangen-Fiete, weil er mit Flachzangen die Finger seiner Opfer so lange quetschte, bis sie auspackten. Seit acht Jahren ist allerdings Ruhe, er soll jetzt auf Helgoland wohnen.«
Hansen pfiff durch die Zähne. Dieser Fiete Rasmussen war doch nicht ganz so sanftmütig, wie ihn seine Schwägerin gegenüber Stuhr beschrieben hatte.
Aber Stüber war noch nicht fertig. »Halten Sie sich fest, Hansen. Sein Partner für das Kommerzielle wurde Dukaten-Didi genannt, und das ist ein guter Bekannter von uns. Raten Sie einmal, wer!« Hansen hatte keinerlei Ahnung, um wen es sich handeln könnte, denn im Lauf seiner Karriere hatte er viele Ganoven kennengelernt.
Endlich platzte Stüber mit der Auflösung heraus. »Niemand anderes als unser Freund Dieter Duckstein!«
Das konnte Hansen nicht glauben. »Quatsch, Stüber. In dessen Strafregisterauszug weist nichts auf schwere Straftaten hin.«
Dem stimmte Stüber zu. »Richtig, Kommissar, das habe ich ja selbst überprüft. Aber in Rasmussens Akten taucht dieser Name ständig auf. Die müssen ein kriminelles Tandem gebildet haben. Wer weiß, vielleicht hat Duckstein sein Register nachträglich schönen lassen.«
Der Kommissar gab sofort dienstliche Anweisungen. »Haftbefehl einleiten gegen Fiete Rasmussen, Stüber, und zwar sofort. Jetzt halten Sie sich fest. Kein Kilometer von seinem hier auf dem Sand gestrandeten Börteboot entfernt liegt die erwürgte Anna Maria Rasmussen. Zu seinem Boot wird er nicht mehr zurückkehren, das sichert die Clausen. Schreiben Sie sofort eine Großfahndung nach ihm aus.«
Stüber bestätigte knapp die empfangenen Anordnungen und legte auf. Zum ersten Mal seit langer Zeit war Hansen wieder mit sich zufrieden. Die Dinge waren endlich auf den Weg gebracht, und bald würde es auf ganz Eiderstedt von Polizeifahrzeugen nur so wimmeln. Jetzt musste er nur noch dringend Stuhr sprechen, aber der ging wieder einmal nicht ans Telefon. Egal, er würde ihn einfach in seinem Feriendomizil in St. Peter-Ording aufsuchen. Kurz vor den Pfahlbauten musste Hansen seine Fahrt wegen der vielen Urlauber verlangsamen, und die verkohlten Reste der Arche verengten den Strandraum zusätzlich und störten das hochsommerliche Ferienbild empfindlich.
Wieder kam ein Rufzeichen, es war noch einmal Stüber. Seine Stimme klang aufgeregt. »Wenn Sie so weitermachen, Chef, dann werden Sie noch ein berühmter Mann. Der Polizeidirektor hat die Fahndung einkassiert. Wir sollen verdeckt fahnden. Er schickt zwei Kollegen zur Verstärkung.«
Hansen schlug wütend mit der Handfläche auf das Lenkrad. Was sollte das denn? Hier war Gefahr im Verzug. Stübers Kommentar verdarb ihm endgültig die Laune.
»Ein wenig kann ich unseren Chef schon verstehen. Schließlich demonstrieren heute die Milchbauern vor dem Kieler Landtag, und das Innenministerium liegt nur einen Steinwurf entfernt. Da kann unter Umständen jeder Gummiknüppel gebraucht werden.«
Bisher war Hansen nicht bekannt, dass Milchbauern zu Gewalttätigkeiten neigten. Sein Chef hatte den Schutz der Landeseinrichtungen vermutlich nur als Gefälligkeit für den Innenminister angeordnet. Gegen die Anordnung würde er sich dennoch nicht durchsetzen können. Nein, er würde einen anderen Weg gehen müssen. Er wählte die Nummer seines niedersächsischen Kollegen Ten Hoff. »Pieter, bist du es? Ich benötige deine Diensthilfe.«
Die Antwort klang ihm inzwischen sehr vertraut. »Yes, Sir. What’s going on?«
30 Mittagsruhe
Es war schön, neben Jenny aufzuwachen. Sie atmete leise und gleichmäßig. Ihre Augen waren noch geschlossen, und sie schien genau wie Stuhr diesen stillen Moment der Zweisamkeit zu genießen. Die halb zugezogenen Vorhänge zur geöffneten Terrassentür ließen lediglich gedämpftes Licht in den Raum, und nur ab und zu wurden sie ein wenig von einem Windhauch aufgebläht. Der Sand, auf dem jetzt am frühen Nachmittag das Strandleben tobte, flimmerte weit entfernt von
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