Bädersterben: Kriminalroman
ernüchtern ließ. Wenn er reinen Tisch machen wollte, dann blieb ihm vermutlich nichts anderes übrig, als den verhassten Stuhr anzurufen und ihn über seine Hilfe in der Vergangenheit für Reinicke zu informieren. Seine Nummer kannte er auswendig, schließlich stand sie den ganzen Vormittag über fast ununterbrochen auf dem Display seines Telefonapparates. Dreesen zögerte, aber dann wählte er doch.
Stuhr meldete sich sofort. »Dreesen, warum nimmst du denn nicht ab?«
Eine blöde Frage, befand Dreesen, hatte Stuhr denn keinerlei Feingefühl mehr? Er setzte zum Gegenangriff an. »Hast du mir nichts zu sagen, Stuhr?«
Sein ehemaliger Vorgesetzter schien nicht allein zu sein, denn die Antwort klang nicht besonders überzeugend. »Nö. Warum?«
Dreesen war sich sicher, dass er Stuhr schon noch irgendwie zu fassen kriegen würde. »Ich habe dir aber etwas zu sagen, Stuhr. Dr. Rogge hat soeben angerufen und mir mitgeteilt, dass er inzwischen seine Förderzusage vom Bund bekommen hat.«
Stuhr blieb ruhig, es schien ihm nicht neu zu sein. »Ja, und?«
»Ich soll ihm bei der Beschleunigung der Anträge behilflich sein, und dafür wollte er mich sogar auf seine Kosten nach Helgoland einladen.«
Nun klang Stuhr aufgebracht. »Das ist ja Bestechung, Dreesen!«
»Sicherlich, und als ich mich verweigert habe, hat er mir mit dem Ministerpräsidenten gedroht. Das habe ich natürlich auf meine Weise abgewettert.«
Stuhrs Nachfrage klang skeptisch. »Hut ab, Dreesen. Aber du hast dem Reinicke doch auch geholfen. Konntest du jetzt denn mit gutem Gewissen ablehnen?«
Dreesen holte zum Rückschlag aus. »Hast du etwa gerade ein gutes Gewissen, Stuhr?«
Es blieb stumm in der Leitung. Stuhr wurde kleinlaut. »Es tut mir leid wegen gestern Nachmittag. Das kommt nicht wieder vor.«
Dreesen blieb ernst. »Wenn das eine Entschuldigung sein sollte, Stuhr, dann nehme ich sie an.« Er zögerte, aber es war die richtige Zeit, jetzt alles nachträglich ins Reine zu bringen. »Pass auf, Stuhr. Es gibt da noch eine Liste mit den ganzen Anträgen von Reinicke. Ich schicke sie dir per Mail. Im Nachhinein ist es eigentlich unglaublich, an wie vielen Projekten er beteiligt war, für die er eine Landesförderung erreichen wollte.«
»Mensch Dreesen, du bist ein treuer Kerl.«, bedankte sich Stuhr. Dann murmelte er allerdings halb laut vom Hörer weg. »Das ist Dreesen am Telefon.«
Sprach er etwa zu Jeanette? Dreesen konnte jetzt seine Eifersucht kaum noch zügeln. »Schon in Ordnung, Stuhr. Hast du denn gestern wenigstens noch einen schönen Abend gehabt?«
Stuhr antwortete umständlich. »Darüber lass uns lieber mal in Ruhe reden.«
»Stuhr, wenn wir Freunde bleiben wollen, dann lass die Pfoten von der Jeanette. Ich bin schließlich nicht der Dusch-Kalli hier, der mit Badehose und Sandalen seinen Dienst für andere ableistet.«
Es blieb einen Moment ruhig in der Leitung. Stuhr schien ihn nicht verstanden zu haben. »Dusch-Kalli. Wie meinst du das?«
Dreesen klärte ihn auf. »Stuhr, ich verspüre wenig Lust, für Jeanette die nützlichen Dinge zu regeln, während du mit ihr herumhühnerst. Kalli nennt man im Knast den zuständigen Kalfaktor. Der bin ich nicht.« So, endlich war es heraus, Dreesen fühlte sich erleichtert.
Aber Stuhr stach mit dem größeren Trumpf zurück. »Ich kann dich gut verstehen. Aber warum sprichst du denn nicht mit Frau Muschelfang selbst darüber? Ich reiche jetzt das Handy weiter.«
Dreesen fluchte unhörbar, denn er wollte in der Gegenwart von Stuhr um alles in der Welt nicht mit Jeanette sprechen. Aber jetzt hatte er keine andere Wahl mehr. Als er ihre Stimme vernahm, begann sein Herz zu pochen. Vermutlich würde sie ihm jetzt die unangenehmen Wahrheiten präsentieren, die er schon länger ausgeblendet hatte.
29 Gold und Dukaten
»Moin, Kommissar. Haben Sie ein wenig Zeit für mich?«
Die Stimme von Christiane Clausen erkannte Hansen selbst am Telefon sofort wieder. Selbstverständlich hatte er Zeit für sie, denn weder aus Westerland noch aus Cuxhaven wurde ihm Neues berichtet. »Moin, Frau Clausen. Worum geht es denn?«
Clausens Stimme klang ein wenig unsicher. »Eigentlich nichts Aufregendes, Herr Kommissar, nur ein eher ungewöhnlicher Fund hier auf dem Sand vor Sankt Peter. Könnte Sie vielleicht interessieren, meinte jedenfalls Thies. Sie haben meinen Ex-Mann ja bereits auf dem Flughafen kennengelernt.«
Dass sie offensichtlich wieder mit dem Vater ihres Kindes in Kontakt zu
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