Bär, Otter und der Junge (German Edition)
du's?“, frage ich ihn neugierig, als ich schnurgeradeaus starre.
Ich fühle, wie er mit den Schultern zuckt. „Ich hab einfach... Ich weiß nicht. Ich schätze, ich hab's gemerkt, nachdem du und Anna Schluss gemacht habt und er viel öfter da war. Ihr beide wart nicht wirklich wieder Freunde, bevor das passiert ist.“
„Das war's?“, frage ich ungläubig.
Er schüttelt den Kopf. „Nein, es war nicht nur das. Ich wusste, dass Otter schwul ist und ich wusste, dass er dich liebt, weil er dich auf diese besondere Weise angesehen hat. So hat Anna dich angesehen.“ Ich zucke zusammen und verfluche Gott dafür, dass er dem Jungen die Macht gegeben hat, aufmerksamer zu sein, als wir anderen zusammen. „Und dann hab ich gesehen, wie du Otter vor ein paar Tagen genauso angesehen hast“, erklärt er und zieht seinen Arm wieder in den Wagen. Er verschränkt die Arme vor der Brust und sieht mich anklagend an. „Wieso sagst du Otter nicht, dass du ihn liebst?“, fragt er. „Ist es wirklich so schwer, zu sagen, was du fühlst?“
„Es ist nicht so einfach, wie du's dir vorstellst“, sage ich durch zusammengebissene Zähne.
Er verdreht die Augen. „Na ja, es ist sicherlich nicht so schwer, wie du es dir vorstellst“, erwidert er. „Ich denke, wenn du jemanden findest, der dich so sehr liebt wie er es tut, dann sollte man alles tun, damit der Andere weiß, dass man auch so fühlt. Das ist es zumindest, wie ich es wollen würde.“
„Nichts ist so schwarz und weiß, Ty!“, sage ich und lasse meinen Frust durchschimmern. Ich will ihm glauben, dass all das so einfach ist. Aber unabhängig davon, wie clever und weise er ist, muss ich mich selbst immer wieder daran erinnern, dass er trotzdem nur ein Kind ist. Ein sehr erwachsenes Kind, aber trotzdem der Junge. „Die Dinge sind nicht immer so, wie man sie gerne hätte, nur weil man es will!“
„Warum nicht? Warum interessieren sich die Leute so sehr dafür, wen man liebt? Du tust doch niemandem weh, oder?“
„Nicht, dass ich wüsste“, antworte ich und versuche die Gedanken an Anna aus meinem Gedächtnis zu verbannen.
„Und du machst nichts Verbotenes?“
„Nein, Ty.“
Er wirft die Hände in die Luft. „Wen interessiert es dann? Ich werde nie verstehen, warum die Leute andere nicht einfach sein lassen wie sie sind. Es ist ja nicht so, als ob es sie irgendwie betrifft.“ Er wendet sich mir zu und runzelt die Stirn. „Und bis du das verstehst“, sagt er leise, „wie kannst du da fair zu Otter sein?“
„Es geht nicht nur darum, fair zu Otter zu sein“, gebe ich mit kaum unterdrücktem Ärger zurück. „Wenn es das wäre, wären die Dinge so viel einfacher als sie sind. Es gibt so viele andere Dinge, um die ich mich sorgen muss, Junge.“ Der Verkehr vor mir kommt zum Erliegen und ich werfe Ty einen Blick zu. „Ich habe bisher nicht einmal über sowas nachgedacht, viel weniger noch, mir mich selbst dabei vorgestellt. Das verändert alles und es wird mich viel Zeit kosten, mit all dem klarzukommen. Und zusätzlich muss ich auch noch über alles nachdenken, was vorher schon vor sich ging. Nur weil Otter hier ist und all das geschieht, heißt das nicht, dass mein Leben anhält, damit ich mich auf ihn konzentrieren kann. Ich habe immer noch Pflichten. Meinen Job, unsere Wohnung. Das hier darf mich nicht vereinnahmen. .“
Ty verzieht das Gesicht. „Versuch nicht, mich da mit reinzuziehen. Mir geht’s prima, danke auch.“ Er starrt wieder aus dem Fenster. „Besser, als es mir lange Zeit ging“, murmelt er. „Papa Bär, du brauchst auch ein kleines bisschen Leben für dich. Wenn du's jetzt nicht haben kannst, wann dann?“
Es ist dasselbe alte Argument, das ich schon tausende Male von gefühlten tausend verschiedenen Leuten gehört habe. Wann wirst du etwas für dich tun, Bär? , fragen sie. Wann stellst du dich mal an erste Stelle? Aber ich hab es noch nie von dem Jungen gehört und irgendwas passt nicht. Ich habe immer darauf gesetzt, dass Ty mir die Wahrheit sagt, ob ich sie nun hören will oder nicht. Er war schon immer in der Lage, Dinge zu sagen, die ihre Spuren bei mir hinterlassen. Das ist es, was das hier so viel schwerer macht. Ich will ihm sagen, dass er seine verdammte Klappe halten und sich um seinen gottverdammten eigenen Scheiß kümmern soll. Ich will ihm sagen, dass alles, was ich tue und alles, was ich bisher getan habe, für ihn war. Ich habe die letzten drei Jahre damit verbracht, ihm Sicherheit zu geben; ihn wissen zu
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