Bär, Otter und der Junge (German Edition)
im Haus wachen auf. Creed kommt die Treppe herunter, reibt sich den Schlaf aus den Augen und erstarrt, als er sieht wie Otter den Wagen belädt.
„Was zum Teufel tust du da?“, fragt Creed ihn misstrauisch. „Wessen Klamotten hast du da an?“
Otter versucht lässig zu tun, aber nach außen schwitzt er und in seinem Inneren tobt ein Sturm. „Nach was sieht es denn aus?“, fragt er. „Ich gehe weg.“
„Weg?“ Creed schreit beinahe. „Wohin gehst du?“
„Ich hab den Job in San Diego angenommen, Creed. Und du siehst zu, dass du leise bist.“ Er sieht Creed nicht an, denn er wäre nicht in der Lage, den Vorwurf in dessen Augen zu ertragen.
„Du hast mir gesagt, du hättest abgesagt“, sagt Creed vorwurfsvoll. „Warum solltest du fahren, wenn du abgesagt hast?“ Und das ist es, was Otter Creed erzählt hat, denn das ist es, was er getan hat. Du verstehst, als Otter herausgefunden hat, dass meine Mom abgehauen ist, hat er ohne weitere Fragen den Job am nächsten Tag abgelehnt. Er dachte, sein Platz sei an meiner Seite und dass ich ihn mehr denn je bräuchte. Aber seit er wusste, dass er mich nur noch mehr verwirrte, glaubte er, es wäre besser, so viel Distanz wie möglich zwischen uns zu schaffen. Er wollte das Studio unterwegs anrufen, um zu fragen, ob der Job noch zur Verfügung stand. Wenn nicht, würde er sich eben einen anderen suchen. Er ist clever. Er hat einen College-Abschluss. Er würde es schaffen. Irgendwie.
„So ist es besser“, erklärt er Creed.
„Wie soll das besser sein?“, brüllt Creed, der nun seine Kontrolle verliert. „Wie kannst du den Jungen ansehen und ihm versprechen , dass du bleiben wirst, wenn du dich umdrehst und diese Scheiße abziehst? Er wird niemals wieder jemandem vertrauen und es wird alles deine verfickte Schuld sein!“
Otter antwortet nichts, er hat Angst, Creed könnte Recht haben. Es stimmt ihn trotzdem nicht um. Er denkt, es ist für den Jungen und mich besser so. In der Tat, denkt er lediglich an mich, was ihn noch mehr beschämt. Er wünscht sich nichts sehnlicher, als jemandem die Wahrheit sagen zu können. Er will jemandem sagen können, wie er sich fühlt. Aber es kann nicht Creed sein. Er stellt sich vor, wie diese Unterhaltung wohl aussehen würde, wenn er seinem Bruder von all den Dingen erzählte, von denen er wünschte, er könnte sie für mich tun, mit mir, an mir. Er denkt nicht, dass diese Unterhaltung auch nur im Geringsten positiv verlaufen würde.
Als wüsste er, was ihm durch den Kopf geht, bellt Creed, „Was ist mit Bär? Bist du wirklich bereit dazu, ihn sitzen zu lassen, wie es seine Mom getan hat? Was für ein verfluchter Bastard bist du, Otter? Wer denkst du eigentlich, wer du bist?“
„Es ist besser so“, ist alles, was er sagen kann.
Der Aufruhr bringt seine Eltern nach unten und alles beginnt von neuem. Am Ende haben sich die Gesichtszüge seines Dads verhärtet, seine Mutter weint und Creed weigert sich, ihn auch nur anzusehen. Er denkt, das ist es, wie er sich an seine Familie erinnern wird und er weiß nicht warum, aber es untermauert seine Entscheidung noch weiter. Er steht unsicher vor ihnen, wartet darauf, dass jemand noch mehr zu sagen hat, aber anscheinend war für niemanden etwas ungesagt geblieben. Er sagt auf Wiedersehen zu seiner Mom und seinem Dad, die ihn widerwillig gehen lassen. Als er zu Creed kommt, weicht er vor dem Hass, den er in dessen Augen sieht, beinahe zurück. Er umarmt ihn grob und flüstert in sein Ohr, „Du musst auf sie aufpassen, okay? Du musst es, denn ich kann es nicht.“ Er denkt, das war das Ende, bis Creed von ihm zurücktaumelt, ihm auf die Schuhe spuckt, sich umdreht und davongeht. Er starrt dümmlich auf den dicklichen Speichel. Er sagt nichts weiter, dreht sich um und geht fort.
Er hat es beinahe aus Seafare geschafft, als ihn die Übelkeit überkommt. Er fährt schnell rechts ran und würgt und würgt und würgt, bis nichts mehr übrig ist. Während er den Inhalt seines Magens loswird, kann er nur an mich denken, fragt sich, ob ich schon wach bin oder ob Creed mich angerufen hat. Er weiß nicht, dass Creed zu sauer ist, um in der Lage zu sein, etwas zu sagen und dass ich für eine weitere halbe Stunde nicht geweckt werden würde. Er wischt die Speichelreste von seinen Lippen weg, geht zurück zu seinem Wagen und fährt davon.
Die Fahrt dauert zwei Tage und er macht verschiedene Stadien der Wut, des schlechten Gewissens und des Leugnens durch. Aber meistens laufen in seinem
Weitere Kostenlose Bücher