Bär, Otter und der Junge (German Edition)
als dass ich diesen Scheiß schlucke. Es ist, als wäre ein Teil von ihm gestorben. Du solltest versuchen, ihn anzurufen.“
„Hab ich!“, sagt Otter überrascht. „Hab ich und er hat nicht abgehoben!“
„Kannst du's ihm vorwerfen?“
Das kann Otter nicht. Sie reden ein paar Minuten länger, aber nicht über Ty und nicht über mich. Als Creed auflegt, wirft Otter sein Telefon durchs Zimmer und lässt sich auf sein Bett fallen. Er schläft augenblicklich ein und träumt, und in dem Traum stehe ich direkt neben ihm und er fühlt solches Glück, aber es ist wie ein Geist, denn egal, was er sagt oder tut, ich antworte nicht. Er wacht alleine auf.
Jetzt, da er wieder Kontakt zu Creed hergestellt hat, denkt er, es ist okay für ihn, die Menschen zu Hause wieder anzurufen. Über die nächsten paar Monate versucht er Wiedergutmachungen zu leisten. Er redet mit seinen Eltern und sie sind froh, von ihm zu hören. Er erzählt ihnen von seinem Job, von den Promis, die er getroffen hat, den Partys, zu denen er eingeladen war. Sie fragen ihn nicht, ob er jemanden getroffen hat und er bringt das Thema ebenfalls nicht auf. Die Tatsache, dass er schwul ist, hat schon immer zu unangenehmen Unterhaltungen geführt und er will jetzt keine haben. Er denkt, es ist besser, überhaupt nichts zu sagen. Sie scheinen seiner Meinung zu sein. Er liebt seine Eltern und sie lieben ihn, aber er denkt, dass ihnen das nicht über alles hinweghelfen wird.
Er ruft Anna an, die ihm von vornherein erklärt, dass er es vergessen kann, sie nach Informationen über mich anzuhauen. Sie sagt ihm, dass ich von ihm sehr verletzt wurde, aber dass er mich selbst anrufen müsste, wenn er mehr wissen wolle. Er sagt ihr nicht, dass er viele Male versucht hat, anzurufen. Er sagt ihr nicht, dass es beinahe ein tägliches Ritual ist, meinen Anrufbeantworter zu hören. Er sagt ihr nicht, dass er beinahe jede Nacht von mir träumt und von dem Kuss - dem Kuss, der niemals hätte passieren dürfen und der nur ein paar Sekunden gedauert hat, der aber noch immer jedes Mal sein Herz wärmt, wenn er daran denkt. Er sagt ihr nichts davon, aber als sie ihn fragt, warum er so traurig klingt, antwortet er ohne nachzudenken, „Ich denke, ich habe die einzige Chance jemals glücklich zu sein verloren.“ Das zerbricht noch mehr in ihm und obwohl Anna fragt, was er damit meint, lehnt er es ab, es ihr zu sagen und wechselt das Thema.
Nachdem er sich von Anna verabschiedet hat, geht er in sein Schlafzimmer, setzt sich auf die Bettkante und sieht hinüber auf das Foto auf seinem Nachttisch. Es ist eine große Farbfotografie in einem teuren Rahmen. Es ist das einzige Bild, das er in seiner Wohnung hat. Es wurde letztes Jahr im Herbst aufgenommen. Ein gewaltiger Sturm war vom Ozean her aufgezogen. Otter war mit mir und Creed zum Strand gegangen, um sich anzusehen wie er heran rollt. Creed war zurück zum Auto gerannt, um seine Jacke zu holen und ich stand zwischen Otter und dem Ozean. Der Himmel war ein sonderbares orange-grün-blau-schwarzes wütendes Etwas. Mein Haar wurde vom Wind hin- und her gepeitscht und ich hatte ein breites Lächeln auf meinem Gesicht. Ich drehte mich um, um Otter anzusehen und gerade, als meine Augen ihn gefunden hatten, drückte er auf den Auslöser. Es ist dieses Bild, das er gerade ansieht.
Ein paar Tage später redet er mit Ty. Anna passt auf ihn auf, während ich auf der Arbeit bin. Zuerst ist der Junge zögerlich und misstrauisch, als es darum geht, mit Otter zu sprechen. Das macht Otter traurig, aber er weiß, dass er der einzige ist, den er dafür verantwortlich machen kann. Dann sagt er etwas, das den Jungen zum Lachen bringt und die Anspannung löst sich und bald plappert Ty glücklich über alles und jeden. Otter lässt ihn reden und reden und schließt, glücklich die Stimme des Jungen zu hören, die Augen. Er bittet schließlich darum, noch einmal mit Anna sprechen zu können. Ty sagt ihm, dass Anna das Zimmer verlassen habe und er sie erst holen müsse. Bevor er sich davon abhalten kann, sagt er dem Jungen, er solle warten und fragt ihn nach mir.
„Er ist oft traurig“, sagt der Junge mit leiser Stimme. „Aber das ist ein Geheimnis.“
„Wie meinst du das?“, fragt Otter.
„Er ist die ganze Zeit traurig, aber er will nicht, dass es jemand weiß. Er will nicht mal, dass ich es weiß, aber ich weiß es trotzdem. Ich wünschte, er wäre nicht traurig, Otter.“
Otter verdeckt seine Augen.
Monate vergehen. Er arbeitet. Er
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