Bär, Otter und der Junge (German Edition)
verschiedene Versionen: Einige sind Seiten über Seiten von Gelaber und andere sind nur einen Satz lang. Nichts schien richtig zu klingen. Schließlich bringt er etwas zu Papier, mit dem er zufrieden ist. Es ist nicht perfekt, aber er will nicht nur labern. Er schreibt:
Ich weiß, dass Du verletzt warst und du hast jeden Grund, wütend zu sein, aber ich will, dass Du weißt, dass nicht ein Tag vergangen ist, an dem ich nicht an Dich und Ty gedacht habe. Vielleicht ist das meine Strafe, zu wissen, dass es Dir gut geht und zu wissen, dass ich nichts damit zu tun habe. Nebenbei bemerkt, bin ich stolz auf Dich, für das was Du geleistet hast, obwohl Menschen ihre Versprechen Dir gegenüber brechen.
Es war gut, Dich zu sehen, auch wenn es nur für einen Moment war. Ich bin froh, dass ich den Moment bekommen habe. Ich habe Dich vermisst, Papa Bär.
Er findet, dass er alles sagt, was er sagen will. Er findet, dass er alles sagt, was er nicht sagen kann. Er findet, es klingt wie ein Liebesbrief. Er findet, er hat zu viel geschrieben. Er findet, er hat nicht genug geschrieben. Er findet, er klingt dumm. Er denkt, dass er niemals gelesen wird.
Er denkt, dass er wie ein Abschied klingt.
Er bringt Ty nach Hause. Ein Teil von ihm wollte ein ganzes Stück früher losfahren, so dass er mit nach oben kommen und mich zwingen könnte, mit ihm zu reden. Er tut es nicht, aus Angst davor, was ich sagen würde, was er sagen würde. Er sagt sich selbst, dass er das nicht tun konnte, nicht vor Ty. Also wartet er, fährt spät genug, dass es ihm nur Zeit geben würde, Ty abzusetzen und zum Flughafen zu fahren. Er sieht Ty hinterher, als dieser die Stufen hinauf rennt und er hebt meinen Scheibenwischer an, um den Brief an meinem Auto zu befestigen. Er hält einen Moment inne, versucht mich im Geiste dazu zu bringen, die Tür aufzustoßen, die Stufen hinunterzurennen, in seine Arme zu springen und zu sagen, „Bitte, Otter, bitte verlass mich nicht wieder. Bitte bleib bei mir und versprich, für immer zu bleiben.“ Er schüttelt seinen Kopf, geht zurück zum Wagen und fährt davon. Es regnet. Der Flieger startet. Der Flieger landet. Er steigt aus dem Flieger. Draußen ist es sonnig.
Acht Tage später streiten sich er und Jonah das erste Mal. Sie hatten zwar schon ein paar kleine Kabbeleien in den letzten Monaten, aber nichts, was sich nicht schnell lösen ließ. Otter ist in seinem Schlafzimmer, starrt auf mein Bild und verflucht sich selbst dafür, so schwach zu sein. Seit er aus Oregon zurückgekehrt ist, ist diese altbekannte Traurigkeit wieder in den Vordergrund gerückt. Er hat das letzte Wochenende abwechselnd zwischen heiß und kalt verbracht. Er seufzt erneut und hört nicht, dass sich die Vordertür öffnet. Er hört Jonah nicht, bis dieser in seinem Zimmer steht. Er erschrickt, als Jonah seinen Namen sagt und spürt wie sein Gesicht rot anläuft, während er das Bild hastig in seinen Schrank schiebt.
„Was machst du da?“, fragt Jonah ihn. „Warum sitzt du auf dem Boden?“
Otter steht und versucht zu lächeln, aber es fühlt sich falsch an. „Nichts. Ich hab nur irgendwelches... Zeug angesehen. Was machst du hier?“
Jonah zuckt mit den Schultern. „Ich hab früher Feierabend gemacht und wollte sehen, ob du Hunger hast. Ich hab versucht anzurufen, aber du hast nicht abgehoben. Die Tür war offen, als ich angekommen bin. Was war das für ein Foto?“
„Nichts Wichtiges.“
„Bist du sicher?“, fragt Jonah und sieht dabei besorgt aus. „Du siehst mitgenommen aus.“
„Lass uns was essen gehen“, sagt Otter und meidet Jonahs Blick. Er schließt die Schranktür und Jonah gibt ihm einen kurzen Begrüßungskuss auf die Lippen. „Gib mir einen Moment, um mich fertig zu machen.“ Er geht an ihm vorbei ins Badezimmer und schließt die Tür. Er sieht sich selbst im Spiegel an. Sein Gesicht ist blass und seine Augen blutunterlaufen. Er sagt sich selbst, dass er sich zusammenreißen soll. Er sagt sich selbst, dass er erwachsen werden soll. Er wäscht sein Gesicht. Er putzt sich die Zähne. Er macht sich die Haare. Als er fertig ist, sieht er besser aus, fühlt sich aber nicht besser.
Er kommt aus dem Bad und erstarrt, als er Jonah vor seinem Schrank stehen sieht. Die Tür ist geöffnet und er hält das Bild in seinen Händen. Bei dem Anblick des Bildes in der Hand eines Anderen, steigt ein dunkles Gefühl in Otter auf. Es ist ein Gefühl der Eifersucht, des Besitztums. Er rennt beinahe zu dem überraschten Jonah und
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