Bären im Kaviar
drei Proben in der
Botschaft haben könnten, würden sie sich vielleicht daran gewöhnen.«
Sie gewöhnten sich. Spät am nächsten
Abend, nach der letzten Zirkusvorstellung, erschienen Durow und seine Robben in
einem Lastwagen zur ersten Kostümprobe. Wir bauten einen schmalen Laufgang nach
Art einer Schaftrift von der Seitentür bis zu einem unbenutzten Raum, den wir
zur Seelöwen-Garderobe bestimmt hatten. Von dort aus arrangierten wir einen
weiteren Laufgang bis in den Ballsaal.
Es ist ein ziemlich ungewöhnlicher
Anblick, drei große schwarze Seelöwen in einen Ballsaal watscheln zu sehen —
besonders in den Ballsaal des Spaso-Hauses mit seinen weißen, polierten
Marmorsäulen und ebensolchen weißen Wänden, die im vollen Licht der Kronleuchter
wie Eisberge glitzerten. Ganz augenscheinlich hielten selbst die Seelöwen sie
für Eisberge; denn sie schlitterten über das Parkett schnurstracks auf die
nächste Säule zu, hockten sich nieder und taten, als seien sie wie in ihrer
Heimat gerade von ihren Schlafstätten gekommen, um draußen ihre Morgentoilette
zu erledigen. Hinterher waren mehrere Hausmädchen zum Aufwischen erforderlich,
während Durow seinen Schülern zu erklären versuchte, daß sie in der
amerikanischen Botschaft stubenrein sein müßten. Nach dieser ersten Übung
wandten sich die Seelöwen dem Spezialprogramm zu, das wir für sie ausgearbeitet
hatten. In den frühen Morgenstunden schließlich watschelten sie in den
Lastwagen zurück, fuhren heim zum Zirkus und gingen zu Bett.
Noch in zwei weiteren Nächten kurz vor
dem Weihnachtsabend probten sie ihre Nummer im Ballsaal. Hinterher waren sie
selber, ihr Trainer und ich jedesmal völlig außer Puste. Durow jedoch hatte die
Idee inzwischen fasziniert, ja, er wünschte dringend, noch einen Bären in das
Programm aufzunehmen. Er erklärte, er habe zwei Bären: Einer gehöre ihm schon
seit Jahren, der andere sei soeben in Sibirien gekauft worden. Dieser zweite —
das gab er offen zu — sei freilich noch ein bißchen wild und habe in letzter
Zeit die häßliche Angewohnheit entwickelt, Leute umzubringen. Er versprach, nur
den netten Bären auftreten zu lassen. Da ich aberfand, daß drei Seelöwen für
ein Fest ausreichten, schlug ich ihm vor, den netten Bären ein andermal
vorzuführen. Am Abend des Festes trafen Durow und seine Seelöwen durch die
Seitentür ein. Die Robben wurden unbemerkt in ihre Garderobe geschleust, wo sie
ihren Auftritt abwarten sollten. Durow jedoch, der nächtelang keinen Schlaf
gehabt hatte und nun vor Aufregung über sein erstes Erscheinen in der Botschaft
(es sollte auch sein letztes sein) fast fieberte, brauchte ein bißchen
Aufmöbelung. Ich nahm ihn also mit und stellte ihn den Gästen als frisch
eingetroffenen amerikanischen Ingenieur vor. (Daß er kein Wort Englisch sprach,
beschwor zwar einige Konfusion herauf; doch nimmt man dergleichen Kleinigkeiten
an einem Heiligabend in Moskau nicht tragisch.) Ich versorgte ihn mit der
nötigen Menge Whisky, und zur Zeit seines Auftrittes schien er wirklich wieder
er selbst zu sein.
Wir versammelten die Gäste an einem Ende
des riesigen Ballsaales und löschten das Licht. Dann schwankte durch die kleine
Tür am anderen Ende des Raumes — allem Anscheine nach nur von einem enormen
schwarzen Schnurrbart getragen — unsicher ein winziger Weihnachtsbaum mit zwölf
brennenden Kerzen herein. Der Strahl eines aufflammenden Scheinwerfers
enthüllte unter dem schwarzen Schnurrbart Ljuba, das Bäumchen auf der Nase
balancierend. Hinter ihr stolzierten Mischa und Schura, ersterer ein Tablett
mit Weingläsern, letztere eine Flasche Champagner auf der Nase. Durow füllte
ein, zwei Gläser und verteilte sie an die Gäste. Dann hob er die Flasche an den
Mund und leerte sie bis auf den Grund. Das war nun zwar nicht mitgeprobt
worden; doch dachte ich mir, er sei immer noch schön müde und brauche eine kleine
Stärkung.
Die Seelöwen erledigten ihr übliches
Pensum: balancierten Bälle, kletterten Leitern hinauf und spielten sogar ein
Weihnachtslied auf der Mundharmonika.
Die Vorführung war fast zu Ende, als
ich eine leichte Unsicherheit in Durows Haltung bemerkte. Und dann wandte er
sich, gleich nach Erledigung der letzten Nummer, zum Publikum, machte eine
hübsche Verbeugung, setzte sich auf eine Bank und sackte friedlich in sich
zusammen. Ljuba, Mischa und Schura warteten einen Augenblick auf das nächste Zeichen,
hoppelten zu ihrem Herrn und Meister hinüber, warfen einen langen
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