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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles W. Thayer
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sozialistischen System füllen kann. Bei
meinem ersten Versuch aber lernte ich von der Pike auf.
    Ich wandte mich an Irina Wiley, die
Gattin des Botschaftsrats, und breitete das Problem vor ihr aus.
    »Sollen wir nicht in den großen
Ballsaal einen Glasfußboden montieren und auf einem riesigen Aquarium tanzen?«
meinte sie begeistert.
    Der Vorschlag zeugte von
bemerkenswerter Phantasie; doch mir fiel ein, daß die Fabrikation von Spiegel-
und Plattenglas weder beim ersten noch beim zweiten Fünf jahresplan
berücksichtigt worden war. Außerdem: Was sollten wir als Fischersatz hineintun?
    »Vielleicht haben Sie recht«, gab
Irina zu und fuhr fort: »Wie wär’s mit einem Dressurakt? Irgendwelche wilden
Tiere? Kommen Sie, fahren wir schnell zum Zoo und schauen mal nach, was sie da
anzubieten haben.«
    Das hörte sich schon besser an.
Gemeinsam besuchten wir den Zoodirektor. Er war ein nervöser kleiner Mann, dem
es bei einer Unterhaltung mit Ausländern fraglos nicht wohl in seiner Haut war.
Normalerweise sollte man annehmen, daß die Verwaltung eines Zoos selbst in der
Sowjetunion eine ziemlich sichere, unpolitische Beschäftigung sei; doch
erinnerte ich mich bei diesem Besuch daran, daß einer meiner wenigen russischen
Freunde während der Revolution Zoodirektor gewesen und herausgeschmissen worden
war, weil er den einzigen Elefanten, der den Sturz des Zaren überdauerte, hatte
sterben lassen. (Während der Säuberungsaktionen wurde er dann wegen nicht
weiter spezifizierter Verbrechen erschossen.) Vielleicht waren dem
augenblicklichen Direktor ebenfalls ein paar Elefanten erkrankt. Vielleicht
widerstrebte es ihm aber auch nur, sich an einer so kochendheißen, eminent
politischen Angelegenheit wie einem ausländischen Weihnachtsfest die Finger zu
verbrennen. Jedenfalls war er nicht begeistert und half uns wenig.
    Vom Zoo aus fuhren wir zum Durowschen
Tiermuseum. Die Durows waren lange vor der Revolution eine in ganz Europa
berühmte Dompteurfamilie gewesen. Zu ihren Ehren hatte die Sowjetregierung eine
ständige Schau lebender und toter Tiere eingerichtet. An eines der
Ausstellungsstücke erinnere ich mich besonders lebhaft. Bei meinem ersten
Museumsbesuch begleitete mich die Tochter eines skandinavischen Diplomaten.
    Der Wärter wies auf einen friedlich
auf seiner Stange hockenden grellbunten Kakadu.
    »Sie werden bemerken, daß der Vogel,
obwohl er nicht angekettet ist, nicht versucht, von seiner Stange
herunterzufliegen«, sagte er. »Das kommt daher, daß er zwanzig Jahre lang
angekettet war und nun, nachdem die Kette weggenommen wurde, vergessen hat, daß
er die Stange überhaupt verlassen kann.«
    »Verteufelt feine Schaunummer für ein
sowjetisches Publikum«, murmelte meine Begleiterin, »wie viele Jahre sind’s
seit der Revolution?«
    Außer dem Kakadu war im Museum nicht
sehr viel Passendes für unseren Dompteurakt zu holen.
    Unsere letzte Zuflucht war der Zirkus,
der in Moskau in einem festen Haus stationiert ist. Er besitzt nur eine Manege
und spielt das ganze Jahr hindurch. Wir bekamen einige dressierte Pferde
vorgeführt (nicht sehr geeignet für Parkettböden), einige dressierte Hunde (für
unsere Zwecke nicht originell genug) und einige dressierte Bären (die wir für
eine Weihnachtsfeier etwas lethargisch fanden, - außerdem konnte es politisch
unangenehm ausgeschlachtet werden, wenn wir Sankt Nikolaus durch einen Bären
ersetzten, der aufrecht auf den Hinterbeinen gehen konnte). Doch dann sahen wir
die Seelöwen. Drei Stück — Mischa, Schura und Ljuba. Sie konnten alle die
üblichen Seelöwentricks: Bälle auf der Nase tanzen lassen, Leitern
hochklettern, während sie gleichzeitig kleine Clownsmützen balancierten und
Mundharmonika spielten (nur daß sie statt »The Stars and Stripes Forever« die
»Internationale« bliesen).
    Gleich nach der Vorführung suchten wir
den Dresseur auf, einen jungen Mann aus der Familie Durow, doch, wie wir dem
Gespräch entnahmen, kein direkter Nachkomme der großen Durows. Er war erst
Anfang Zwanzig und noch ohne viele Hemmungen.
    Zuerst wand er sich etwas.
    »Meine Seelöwen sind noch nie im
Ballsaal gewesen.«
    Ich erklärte ihm, unseres Wissens habe
auch der Ballsaal noch nie Seelöwen bei sich gesehen; doch gehöre es sich für
einen jungen Sowjetbürger nicht, so unsinnig zu argumentieren. Alles müsse
irgendwann zum erstenmal versucht werden — und diesmal würde es sogar ein
doppelter Erstversuch sein. Unsere Logik beeindruckte ihn.
    »Wenn wir zwei oder

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