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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles W. Thayer
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der
Direktor und der Kassierer fuhren wild über die Scheiben. Als sie mich
erblickten, starrten sie mürrisch herunter, sagten aber nichts. Offensichtlich
dämmerte ihnen einiges über das Fensterputzen in der Botschaft, und sie
schienen nicht gerade hingerissen davon zu sein.
    »Kann ich irgend etwas für Sie tun?«
erkundigte ich mich freundlich.
    »Nein! Höchstens verschwinden und sich
um Ihre eigenen Angelegenheiten kümmern!« brummte der Direktor erbost.
    Eine weitere Woche zog ins Land, und
immer noch wischte, wusch und rieb der Fensterputzer-Trust voller Energie. Sie
legten sogar Doppelschichten ein und arbeiteten auch noch nachts. Bis eines
Abends der Direktor und der Kassierer in meinem Büro erschienen.
    »Wir
sind fertig«, meldeten sie und kamen mir dabei ein gut Teil sanftmütiger vor
als bei ihrem ersten Auftreten.
    »Schön,
sehen wir mal nach«, sagte ich mit Bezug auf meinen Kalender, »macht vom Anfang
bis heute genau zwanzig Tage. Stimmt’s?«
    »Vermutlich«, murmelte der Direktor
matt.
    »Gut — dann schulde ich Ihnen
siebzehnhundert Rubel für das Fensterputzen, und Sie schulden mir zehn mal
zweihundert für zehn Tage Verzug. Macht zweitausend Rubel. Mit anderen Worten:
Sie schulden mir die Differenz oder genau dreihundert Rubel.«
    Der Direktor hatte sich das offenbar
schon vorher ausgerechnet, denn er griff in die Tasche und warf mir dreihundert
Rubel auf den Tisch.
    »Da sind sie.« Seine Stimme klang
gepreßt. Augenscheinlich war er eisern entschlossen, jede gefühlsmäßige Regung
zu unterdrücken.
    Die beiden erhoben sich und gingen auf
die Tür zu.
    Ihr schweigender Jammer aber war
zuviel für mich.
    »Hallo — einen Augenblick noch«, sagte
ich, »da es das erste Mal ist, daß Sie einen solchen Kontrakt ausprobieren,
wollen wir’s als Experiment betrachten und die Buße unter den Tisch
fallenlassen.«
    Ich zählte siebzehnhundert Rubel ab
und händigte sie dem Direktor aus.
    »Nächstes Mal besehen Sie sich gescheiterweise
die Fenster erst, ehe Sie Wetten darauf abschließen!«
    Der Direktor nahm das Geld und
bedankte sich. Sein grimmiger Gesichtsausdruck war einem sonnigen Lächeln
gewichen. Als er meine Hand schüttelte, grinste er:
    »Wir möchten bloß alle mal gern
wissen, wer zum Teufel denn in diesen verdammten Glaskasten-Ateliers da oben
leben mag?«
    Als sie weg waren, fragte ich mich, ob
ich sie nicht vielleicht doch ein bißchen allzu sanft behandelt hätte. Aber ich
tröstete mich mit der Tatsache, daß wir die Fenster in Rekordzeit geputzt
bekommen hatten.

Seelöwen in der Küche
     
     
     
    Als Moskau 1933 eine amerikanische
Botschaft bekam, gab es bereits eine umfangreiche Kolonie amerikanischer
Journalisten, Techniker, Ingenieure, Studenten und Weltenbummler dort. In jenen
Tagen war die Stadt noch reich an Attraktionen. Sie hatte ausgezeichnete
Theater, Opernhäuser und Balletts und sogar Nachtklubs von höchst
eigentümlichem moskowitischem Reiz. Karten für das Moskauer Theater — eines der
besten seiner Art in der Welt — oder für das Ballett — das einzige seiner Art
in der Welt — waren leicht zu bekommen,- und ein superbes Dinner im Metropol
oder dem Medvedj-Restaurant war spottbillig. Doch es gab für die Amerikaner
noch keinen zentralen Treffpunkt, wie es die Botschaften für die anderen
Ausländer waren.
    Als das Weihnachtsfest 1934
heranrückte, beauftragte mich Botschafter Bullitt, ein Fest für die
amerikanische Kolonie zu organisieren.
    »Und sorgen Sie für was Anständiges«,
schärfte er mir ein, »die Ärmsten haben lange genug keine richtige Festivität
gehabt.«
    Dummerweise wurde er noch vor den
Feiertagen zu einer Besprechung mit dem Präsidenten nach Washington
zurückgerufen. John Wiley, der Botschaftsrat, sollte an seiner Stelle den
Gastgeber spielen.
    Ich begann.
    Trotz all seiner Theater und Balletts
und Opern ist Moskau nicht gerade ein großartiger Mittelpunkt
gesellschaftlicher Ereignisse. Irgendwie hat die staatliche Planungskommission
die heitere Seite des sozialen Fortschritts übersehen. Zwar gab es eine
Handvoll Jazzkapellen, doch waren sie von den Hotels fest engagiert und kamen
höchst ungern in die Botschaften. Feinkostfirmen, die große Dinners fix und
fertig frei Haus lieferten, gab es überhaupt nicht. Es gab auch weit und breit
keine Theateragenturen, bei denen man eine hübsche Gesangs- oder Tanzeinlage
bestellen konnte. Nach und nach freilich kamen wir dahinter, wie man mit
einiger Findigkeit auch diese Lücken im

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