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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles W. Thayer
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vorgeführt hatte. Und schließlich konnte der
Lastwagen an der Seitentür Vorfahren, die Seelöwen wurden sorgfältig durch die
Laufgänge hineingetrieben, und ab ging’s zum Zirkus. Später erfuhr ich, daß
auch die Fahrt nicht ganz ohne spannende Erlebnisse war. Mitten auf einem
besonders belebten Boulevard war Ljuba — immer noch erregt durch ihr Küchenabenteuer
— über die Seitenwand des Lastwagens gesprungen, wie sie zuvor mit einem Satz
über die Einfassung des Laufganges gehüpft war. Moskaus Straßen sind im Winter
gewöhnlich eishart gefroren und glatt wie die beste Schlittschuhbahn. Ljuba war
in ihrem Element. Im Sechzigkilometertempo schlitterte sie den Boulevard
hinunter, der Assistent mit dem Mute der Verzweiflung hinterher. Die
Einzelheiten der nun folgenden Jagd sind nie bekanntgeworden; doch weiß ich,
daß fast die gesamte Polizei des Arbat-Bezirkes aufgeboten werden mußte, um
Ljuba endlich knapp vor dem Ufer der Moskwa zu umzingeln.
    Durow war als der einzige vom Zirkus
in der Botschaft zurückgeblieben. Sein Assistent hatte versprochen, ihn
abzuholen, sobald die Seelöwen zu Bett gebracht waren. Als er nach Ljubas
zweitem Sprung in die Freiheit erschöpft ankam, war Durow wieder auf den Beinen
— noch nicht ganz nüchtern, aber doch beinahe sein altes munteres Selbst. Es
bedurfte einiger Redekunst, ihn davon zu überzeugen, daß sein Anteil am Fest
vorüber und es langsam Zeit sei, nach Hause zu gehen. Erst nachdem ich ihm
versprach, ihn mit meinem neuen Mehrzweck-Ford wegzubringen, willigte er ein.
    Es war schon nach drei, als wir am
Zirkus vorfuhren. Der Assistent und ich reichten Durow den Arm und halfen ihm
ins Haus. Der Weg zum großen Tierstall, in dem die meisten Tiere untergebracht
waren, führte quer durch die Manege. Mittendrin sahen wir eine mysteriöse
Gestalt drohend aus dem Dunkel auftauchen. Es war der in einen unförmigen,
zotteligen Schaffellmantel gemummte Nachtwächter. Sein Gewehr baumelte ihm über
die Schulter, der Lauf ragte wie ein deplaciertes Horn von hinten über seinen
Kopf. »Psst-psst!« wisperte er aus den Pelzmassen heraus. »Geht leise, der
Elefant schläft.«
    Ich ließ Durow fast ins Sägemehl
fallen. War denn ganz Moskau verrückt geworden? Fragend sah ich den Assistenten
an, der meine Gefühle offenbar gleich verstand.
    »Alles in Ordnung«, flüsterte er
zurück, »der Mann meint nur, daß der Elefant liegt. Für gewöhnlich legen sich
Elefanten zum Schlafen nicht hin. Das ist ein ganz seltener Anblick.«
    Auf den Zehenspitzen schlichen wir
durch die Manege. Weshalb, weiß ich auch nicht; aber in jener Nacht war eben
alles etwas konfus. Selbst mit nägelbeschlagenen Stiefeln hätten wir im
Sägemehl nicht soviel Krach machen können, daß auch nur eine Maus davongelaufen
wäre.
    Im Stall knipsten wir nur eine einzige
kleine Birne an. Und tatsächlich lag der Elefant vor uns auf dem Stroh, bequem
ausgestreckt und friedlich schlafend. Das einzige vernünftige Wesen, das mir
den Abend über begegnet war, dachte ich.
    Während wir ihn noch bewunderten,
ertönte am anderen Ende des Raumes Kettenrasseln. In der Dunkelheit konnte ich
nicht sehen, wer den Krach machte. Durow jedoch schien es zu wissen.
    »Duschka, mein Seelchen«, gellte er,
riß sich von seinem Assistenten los und stürzte in die Düsternis. Wir
hinterher. Als wir am jenseitigen Ende ankamen, konnte ich im Dämmer eben noch
die Umrisse eines gewaltigen braunen Bären erkennen, der auf den Hinterbeinen
stand und an den Ketten zerrte, mit denen er an die Wand gefesselt war. Dabei
fuhr er ungeduldig mit den großen Tatzen durch die Luft. »Duschka, mein kleiner
Liebling«, brüllte Durow noch einmal und streckte seine Arme aus, um den Bären
an sich zu drücken.
    Er
hatte die Hände schon fast um den zottigen Tiernacken geschlungen, als sein
Assistent ihn am Kragen zurückriß. »Verdammter Narr«, stieß er zwischen den
Zähnen hervor, »es ist der falsche Bär!«

Polo für das Proletariat
     
     
     
    Außer gelegentlichem Händeschütteln
und kurzem Gemurmel haben Generalissimus Stalin und ich nur ein einziges Mal
Worte miteinander gewechselt. Das Erlebnis war für keinen von uns besonders
erleuchtend und reicht — fürchte ich — kaum aus zu der Behauptung, ich
»verstünde die Russen«. Die »Unterhaltung« fand anläßlich eines Galadinners im
Kreml im September 1941 statt. Der große Bankettsaal war durch ein halbes
Dutzend vorrevolutionärer Kronleuchter strahlend erhellt. Die

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