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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles W. Thayer
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Ball
abgeschnitten und hämmerten bereits wieder selber mit den Schlägern darauf
herum.
    Ihr Atem reichte längst nicht mehr zum
Brüllen. Während sie gierig jeder Bewegung des winzigen Balles nachspürten,
keuchten und gurgelten sie nur noch wie fernes Donnergrollen. Ihre
schaumbedeckten Pferde schnauften. Wolken von Schweiß und Staub umhüllten den
dichtgeballten Knäuel. Und dann rollte der Ball noch einmal aus dem Haufen. Ich
holte verzweifelt aus — tatsächlich, jetzt bewegte er sich auf den Fluß zu! Die
hinter mir Galoppierenden schrien herausfordernd auf. Es gab keinen Zweifel
mehr, wer auf wessen Seite war! Das Spiel stand zwanzig zu eins, und bis zum
Fluß waren es noch fast zweihundert Meter. Aus den Augenwinkeln sah ich den
Botschafter in einiger Entfernung gemütlich dahintraben. Er schien zu lachen.
    Ich holte wild gegen den Ball aus. Er
sprang in die Luft. Sofort schwang ich den Flammer noch einmal und traf ihn
knapp über dem Boden. Diesmal saß der Schlag. Der Ball segelte die restlichen
Meter und landete aufklatschend in der Moskwa.
    Mein Pferd anhaltend, sank ich
erschöpft und ausgepumpt im Sattel zusammen.
    Knapp hinter mir stoppte die Meute der
Verfolger und stierte zuerst auf mich, dann auf den Fluß. Plötzlich trieb einer
von ihnen seinem Pferd die Sporen in die Weichen, sprang mit einem Satz vom
Ufer in den seichten Strom und verschwand im aufspritzenden Wasser. Noch ehe
ich meine fünf Sinne zusammenreißen konnte, tauchte er mit dem Ball in der Hand
wieder auf und schleuderte ihn aufs Spielfeld zurück. Der grölende Mob stürzte
sich wie der Blitz darüberher und galoppierte triumphierend mit ihm davon.
    Ich starrte auf das Bild, das sich mir
bot, und stöhnte hilflos. Doch der Botschafter war im Nu neben mir:
    «Vorwärts, so bleiben Sie ihnen doch
auf den Fersen — verdammt noch mal, beeilen Sie sich! Die bringen sich ja
allesamt um, wenn Sie sie nicht verflucht schnell zum Halten veranlassen!«
    Als ich das Gewimmel einholte, waren
wir so ziemlich in der Mitte der weiten Weidefläche. Eine zweite Jagd zum Fluß
ging einfach über meine Kräfte, von meinem ausgepumpten Pferd gar nicht zu sprechen.
Wir galoppierten immerhin pausenlos seit fast einer Stunde.
    Sowie der Ball erneut aus dem wogenden
Getümmel schnellte, machte ich einen Satz darauf zu, den Hammer mit aller Wucht
schwingend. Der Ball preschte fünfzig Meter weiter. Ein paar Galoppsprünge, ich
zog die Füße aus den Bügeln, hielt mein Pony an... Es bestand grad noch die
einzige Chance, mich auf den Ball fallen zu lassen, ehe die Bande herangebraust
war.
    Der Botschafter erzählte mir später,
daß er von seinem Standort einzig und allein habe sehen können, wie sein
Sekretär hart vor der stürmenden Meute aus dem Sattel rollte. Dann versperrten
ihm bäumende Pferde den Blick. Als er sich endlich doch durch den Haufen
gekämpft hatte, lag ich zusammengerollt auf der Erde, den Ball unter den Arm geklemmt.
Zwanzig staub- und schweißgeschwärzte Gesichter sahen halb böse, halb belustigt
auf mich herab.
    Ich blickte hoch: »Bitte, bitte«,
keuchte ich, »genug! Ja? Bestimmt?« Mit johlendem Gelächter wurde mein Flehen
akzeptiert.
    Als der Lagerkommandant kurz darauf
aus seinem Zelt trat, blieb er wie angewurzelt stehen und starrte auf die zum
Fluß führende Straße. Die geschniegelte und gebügelte Abteilung, die er vor
wenigen Stunden auf Budjennyis Befehl für irgendwelchen diplomatischen
Schnickschnack zur Verfügung gestellt hatte, sah aus, als ob sie aus dem
Bürgerkrieg zurückkäme. Einige wenige Soldaten trugen noch die Uniformhemden —
ohne Ärmel und die Knöpfe futsch, aber die meisten waren einfach bis zu den
Hüften nackt. Etliche hatten sich Taschentücher um den Kopf gebunden. Dünne
Blutrinnsale tröpfelten ihnen die Backen hinunter. Einer hatte eine Armschlinge
improvisiert, aus der seine blutige Faust hervorragte. Am Ende der Kolonne
führten zwei Soldaten ihre lahmen Pferde.
    An
der Spitze der Kolonne aber ritten in nur geringfügig besserer Fasson der
amerikanische Botschafter und — in den Sattel gehuddelt — die Überbleibsel
seines Privatsekretärs. Der Botschafter lächelte großväterlich auf mich herab:
    »Anfangs
fällt es natürlich immer schwer, sich beim Übersetzen an alles zu erinnern, was
ich gesagt habe, aber mit ein bißchen Übung und Geduld werden Sie es schon
schaffen!«
    »Ich
will’s versuchen«, seufzte ich zerschmettert.
    Am nächsten Tag telefonierte
Budjennyi:
    »Tut mir

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