Bären im Kaviar
leid, daß ich bei der ersten
Probe gestern nicht dabeisein konnte, aber nach den Berichten aus dem Lager muß
es ja ein Riesenerfolg gewesen sein. Nur klagen alle darüber, daß das
Pferdematerial nicht besonders geeignet sei. Könnten Sie mir nicht einmal den
Ponytyp beschreiben, den man in Amerika zum Polospielen verwendet?«
Der Botschafter erklärte ihm, am
geeignetsten sei Dreiviertelvollblut, fünf oder sechs Jahre alt, um 150 cm
hoch, an Sattel und Reiter gewöhnt, aber noch nicht fertig eingeritten. Das
Spezialtraining könnten die Reiter unter unserer Anleitung selber vornehmen.
»Wie
viele brauchen Sie?« erkundigte sich Budjennyi.
»Nun,
in Amerika hat jeder Spieler drei, manchmal auch vier für ein Spiel, doch ist
das nicht unbedingt nötig.«
»Na,
mal sehen, was sich machen läßt«, meinte Budjennyi und legte den Hörer auf.
Drei Wochen vergingen ohne weitere
Worte über Poloponys. Unsere Übungen setzten wir fast täglich nach den
Dienststunden fort. Sie wurden langsam etwas gesitteter, und nach und nach
kapierten die Spieler sogar einige Regeln und Verbote.
Eines Tages kam wieder ein Anruf.
»Genosse Budjennyi läßt anfragen, ob
der Botschafter heute nachmittag um drei Uhr zu ihm in die Kavallerie-Kaserne
kommen könnte. Er hat da ein paar von diesen Poloponys, die er Ihnen gern
zeigen möchte.«
Wir fanden Budjennyi mit seinem
Adjutanten und dem Kavalleriekommandeur der Garnison auf dem Paradeplatz. Auf
ein Kopfnicken Budjennyis hin begannen die Soldaten die Ponys aus den Ställen
heraus- und an unserer Gruppe vorbeizuführen.
Das
erste Pferd war ein kleiner dunkelbrauner Wallach mit den schlanken Beinen
eines Vollblüters und den runden Linien eines Kosakenponys. Der Kommandeur
erläuterte: »Fünf Jahre alt, drei Viertel Vollblut, ein Viertel Kuban, 150 cm
hoch. Angeritten, aber noch nicht trainiert.«
»Haargenau der Typ, den wir brauchen«,
bemerkte der Botschafter begeistert.
Das zweite Pferd war, bis auf das
heller glänzende, kastanienbraune Fell, dem ersten fast gleich.
»Fünfeinhalb Jahre, drei Viertel
Vollblut, aus dem Donbecken, angeritten, aber nicht trainiert.«
»Superb«, sagte der Botschafter.
Auf das dritte Pony, eine dunkle Stute
aus Westsibirien, paßte die gleiche Beschreibung.
Ich grinste verständnisinnig: Aha, sie
zeigten sich zuerst von der besten Seite und hatten ein paar Paradegäule an die
Spitze gestellt! Aber als die Reihe der vor uns Aufmarschierenden lang und
länger wurde, kugelten mir fast die Augen aus dem Kopf. Jedes neu
herauskommende Pferd war so hervorragend wie die draußen stehenden. Es war eine
Kollektion, wie sie selbst die US-Kavallerie kaum hätte zusammenstellen können.
Nachdem etwa fünfzehn oder zwanzig vorbeidefiliert waren, erkundigte sich der
offensichtlich ebenfalls baß erstaunte Botschafter:
»Ja, wie viele sind es denn
insgesamt?«
»Vierundsechzig«, erwiderte der
Kommandeur in ausdruckslosem, sachlichem Ton.
»Herr des Himmels! Wenn das kein Poloberitt ist!«
»Oh, doch nur, was Sie uns angegeben
haben, oder nicht?« meinte Budjennyi beiläufig. »Vier Pferde pro Spieler; und
vier Teams sind insgesamt sechzehn Spieler. Schätze, wir bringen ebenso viele
Ponys auf die Beine wie Sie Amerikaner.«
Als das letzte der vierundsechzig
Ponys vorbeimarschiert war, wurde ein stattlicher kastanienbrauner Charger
gesattelt und gezäumt vorgeführt.
»Das
ist der fünfundsechzigste — für Seine Exzellenz, den Herrn Schiedsrichter.
Möchten Sie ihn einmal versuchen?« Während der Botschafter aufsaß, nahm ich
einen Adjutanten beiseite und erkundigte mich: »Nun sagen Sie bloß mal, wie Sie
es fertiggebracht haben, so eine Kollektion zusammenzustellen?«
»Ganz einfach«, sagte er. »Budjennyi
forderte telegrafisch von sämtlichen Gestüten der Union einen Bericht über den
Bestand an Pferden an, die Ihrer Beschreibung entsprachen. Dann ließ er die
besten nach Moskau kommen.«
Noch einige Wochen lang trainierten
wir die Ponys und brachten den Spielern die Regeln bei. Dann brach der Tag des
ersten offiziellen Polo-Matches in der Sowjetunion an. Es war ein heißer
Septembernachmittag. Der Strand um die Furt war vollgepfropft mit Schwimmern.
Da das Nacktbaden in der Sowjetunion erst viel später für unkultiviert erklärt
wurde, begnügte man sich damals noch mit einem einfachen hölzernen
Trennungszaun zwischen Männer- und Frauenstrand. Der Weg vom Lager zum
»Polofeld« kreuzte den Frauenstrand, doch hatte man sich dort
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