Bären im Kaviar
die Irren hinter ihm her.
»Das war ein Foul«, sagte ich zum
Botschafter, als wir gemeinsam auf die Unglücksstelle zutrabten.
»Ein Foul?« schrie er zurück. »Zum
Teufel — das war Mord!«
Noch ehe wir hinkamen, hatten sich
jedoch die Pferde wieder hochgerappelt, und ihre Reiter torkelten, ein wenig
benommen noch, aber sonst anscheinend wohlauf, über die Wiese. Der kleine
Mongole hatte eine Schramme auf seinem kahlgeschorenen Schädel, und seine
Uniform war zerfetzt. In der nächsten Sekunde war er auf sein Pferd gesprungen
und galoppierte unter gellendem Gejuchze hinter den anderen her.
Nachdem das Spiel dieserart fünfzehn
Minuten gedauert hatte, hielt der Botschafter sein Pferd an, verkündete, daß es
nun für den ersten »Chukker« reiche, und stieß feierlich in seine Pfeife. Die
Bande fuhr fort, zu galoppieren, zu brüllen und allen Regeln der Kunst zuwider
auf den Ball einzuhauen. Noch einmal pfiff er. Ein paar Spieler sahen ihn
völlig verständnislos an. Andere grinsten, offensichtlich belustigt über den
Anblick, den Seine Exzellenz ihnen bot: majestätisch auf seinem Rosse thronend
und schrill auf einer kleinen Pfeife piepsend.
Als ich vorüberflitzte, rief mir der
Botschafter zu: »Haben Sie ihnen nicht gesagt, sie sollten aufhören, wenn ich
pfeife?«
Ich nahm mir ein Beispiel an den
Spielern, tat, als ob ich nichts hörte, und galoppierte weiter. Der Botschafter
setzte mir nach.
Weitere
zehn Minuten verstrichen. Mittlerweile fühlte sich der Botschafter über seine
absolute Unfähigkeit, die von ihm selber in Bewegung gesetzte Attacke wieder zu
stoppen, etwas gekränkt. Am Flußufer endlich stellte er mich. »Haben Sie den
Leuten befohlen, bei meinem Pfeifen aufzuhören, oder haben Sie nicht?« schrie
er gereizt.
»Es tut mir leid — ich vermute wohl,
das heißt, es könnte sein — genau kann ich mich leider nicht erinnern.«
Der Botschafter begann jetzt zu
brüllen: »Haben Sie oder...?«
»Ich — ich scheine es tatsächlich
ausgelassen zu haben, Sir. Es tut mir schrecklich leid...«
»Verdammt noch mal! Dann bringen Sie sie auch gefälligst zum Stehen, ich kann’s nicht! Wenn die noch lange so
weitermachen, kriegen sie oder ihre Pferde einen Schlaganfall.«
Ich stimmte ihm respektvoll nickend zu
und starrte hilflos auf die Staubwolke einen halben Kilometer weiter unten auf
der Wiese. »Ich will’s versuchen«, murmelte ich kleinlaut, gab meinem Pferd die
Sporen und brüllte zugleich: »Stoj! Stoj!«
Ein paar verschwitzte,
blutverschmierte Kavalleristen stierten mich einen Moment lang an, grinsten
hinterhältig und rasten dem Ball nach.
Ich schnappte mir einen überzähligen
Hammer und beschloß, mich an der Balgerei zu beteiligen. Vielleicht gelang es
mir so, die wildgewordenen Polospieler auseinanderzutreiben. Als der Ball das
nächstemal aus dem Rudel hervorschnellte, fegte ich quer vor den Verfolgern
hinter ihm her.
Ich holte mächtig aus, verfehlte und
konnte mein Pferd grad noch nach vorn wegspornen, ehe die anderen Pferde
haarscharf an seinem Schweif vorbeirasten, mit Augen, die ihnen vor Erregung
fast aus den Köpfen traten. Ich wiederholte meinen Versuch - diesmal mit mehr
Erfolg. Der Ball segelte hundert Meter weit durch die Luft; ich hielt mich
dicht hinter ihm, über die Schulter zurückbrüllend: »Stoj! Stoj! Seine
Exzellenz befiehlt aufzuhören!«
Der Trupp wandte sich ungerührt dem
Ball zu und galoppierte weiter. Ich fühlte die achtzig Hufe schon in meinem
Nacken, als ich mein Pferd zum nächsten Schuß zügelte. Gewöhnlich verspürt man
eine herrliche Erregung, wenn man beim Polo den Ball vor das Feld spielt, aber
gewöhnlich bewegt sich das Spiel auch in zivilen Grenzen — mit Regeln und einem
Schiedsrichter. Hier jedoch hatte ich es einzig und allein mit einer
halbwilden, blutrünstigen und schweißverklebten Horde zu tun, nachdem auch der
Botschafter seine Schiedsrichterrolle längst resigniert aufgegeben hatte. Nicht
einmal Torpfosten oder Straflinien gab es, nur den Fluß und den Zaun, und die
waren weit weg.
Ich schlug wieder zu, und der Ball
flog vorwärts. Wenige hundert Meter vor mir lag der Fluß. Wenn es mir doch
gelänge, bis dahin zu kommen und den Ball ins Wasser zu jagen...
Ich spornte mein Pferd, holte aus und
traf wieder, doch rutschte mir der Ball seitlich weg. Obwohl ich mein Pferd auf
der Stelle so heftig herumriß, daß es beinahe gefallen wäre, war es schon zu
spät. Meine scharfäugigen, flinken Schüler hatten mir den Weg zum
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