Bären im Kaviar
inzwischen an
unseren täglichen Vorbeiritt so gewöhnt, daß sich auch heute niemand umdrehte —
obwohl wir alle in schillernden roten und blauen Polohemden prangten, die ein
Moskauer Sportklub extra für diese Gelegenheit gestiftet hatte. Früher am Tag
schon war ein Regiment Fußsoldaten über den Strand marschiert und durch den
Fluß auf die gegenüberliegende Wiese geplanscht. Hier waren sie
auseinandergezogen worden und bildeten nun, mit je einer Armeslänge Abstand,
einen riesigen Kreis von einem Kilometer Durchmesser. Sie befanden sich so weit
vom eigentlichen Spielfeld entfernt und waren durch die vielen Bodenwellen so
gut getarnt, daß sie von den Zuschauern praktisch nicht gesehen werden konnten.
Aber selbst das hatte die Badenden
nicht aufmerken lassen. Die Bevölkerung der Sowjetunion ist an alle Arten
militärischer Manöver längst gewöhnt.
Nein — was die nackten Damen wirklich
auf die Füße brachte, war eine lange Schlange schwarzer Limousinen, die sich
feierlich durch den Sandstrand pflügten, durchs Wasser rauschten und auf der
jenseitigen Ebene verschwanden. Einige der Erstaunten werden des Rätsels Lösung
am nächsten Tag in der »Prawda« gefunden haben, wo der Bericht über das
Polospiel am Silberforst zu lesen war. Gesehen haben das Spiel nur ganz wenige
— dafür sorgte die Absperrung durch die Soldaten schon. Doch obwohl zahlenmäßig
klein, war das Auditorium so erlesen wie nur irgendeines: Litwinow, der
Kommissar für Auswärtige Angelegenheiten, Woroschilow, der Kriegskommissar, verschiedene
Mitglieder des Politbüros, Botschafter Bullitt mit einigen Herren seines Amtes
und eine Handvoll sorgsam ausgewählter sowjetischer und amerikanischer
Zeitungskorrespondenten.
Der Privatsekretär des Botschafters
gehörte dem blauen Team an.
Das Spiel selber war aufregend, scharf
und spannend genug, um allen Ansprüchen zu genügen. Meine Mannschaft wurde
geschlagen. (Später wurde mir das als diplomatischer Takt ausgelegt, und ich
wurde höchst unverdientermaßen mit Komplimenten überschüttet.)
Nach dem Spiel versammelten sich
Teilnehmer und Zuschauer zu einem Fest in der Botschaft. Es dauerte bis zum
anderen Morgen. Der einzige dunkle Fleck auf diesem schönen Tage war, daß
Midget, mein Schäferhundbaby, sich auf dem Schoß des Kriegskommissars danebenbenahm.
Wir spielten den ganzen Sommer
hindurch Polo. Als der erste Schnee gefallen war, wurden unsere Übungen in eine
große Reithalle in der Stadt verlegt. Und dann schieden nach und nach die
besten Spieler aus.
»Manöver«, erklärte der Kommandeur.
Überall
in der Welt gingen Dinge vor sich, die mit Polo ziemlich wenig zu tun hatten.
Göring verkündete, daß Deutschland seine Luftstreitkräfte verstärken werde.
Anläßlich einer Truppenparade in Berlin zeigte die deutsche Heeresleitung eine
neue motorisierte Kanone.
Die Zeitungen berichteten, daß das
Reich neue mechanisierte Divisionen aufstelle.
Über die deutsche Kavallerie hörte man
in diesen Tagen wenig und gar nichts über deutsches Polo.
Eines Tages, zu Beginn des Frühlings,
wurde von den Kavalleriekasernen aus angerufen, es könne leider an jenem Tage
nicht geübt werden, da sich sämtliche Truppen im Manöver befänden.
»Sobald sie zurück sind«, erklärte der
Kommandeur höflich, »werde ich Ihnen Bescheid sagen.«
Die Truppen müssen wohl sechs Jahre
später, als der Krieg ausbrach, immer noch im Manöver gelegen haben, denn
Bescheid kam nie.
Aber soviel mir bekannt ist, bin ich
immer noch Chef-Poloinstrukteur der Roten Armee.
Eine diplomatische Kolchose
Als ich eines schönen Tages in einem
plötzlichen Anfall von Übermut das Treppengeländer der Botschaft
hinunterrutschte, verstauchte ich mir prompt den Knöchel. Der Hausarzt
verordnete Bettruhe, und Botschafter Bullitt kaufte mir eine junge deutsche
Schäferhündin, um mich bei Laune zu halten. Botschaftsrat Wiley sprach immer
nur von der »Geheimpolizei«-Hündin, und ich mußte zugeben, daß sie den
deutschen Schäferhunden, die ich bisher kannte, nicht so ganz genau glich. Auf
die Dauer wuchs sie sich dann zu einem belgischen Schäferhund, einem
Groenendael, aus. Unser aller Verblüffung war groß, besonders die meine, denn
ich hatte im ganzen Leben noch von keinem Groenendael gehört.
»Midget« (wie ich sie nach einer
kleinen Moskauer Ballerina nannte) war etwas niedriger als der übliche deutsche
Schäferhund und viel leichter. Ihr Fell war jettschwarz und lang und seidig
Weitere Kostenlose Bücher