Bahama-Krise
das Handtuch geworfen.
Und jetzt ist sie unterwegs, um irgendwo ein dummes Arschloch
aufzureißen, das ihr nach der Pfeife tanzt.« Er stemmte sich auf den
Tisch und lehnte sich vor, so daß er Jack Cunningham ins Auge sah.
»Hier gibt's keinen Schauprozeß gegen Tom. Nicht, solange ich dabei
bin.«
Billy I. sah auf und runzelte die buschigen Brauen. »Beruhige
dich, Junge!«
»Ich wollte euch nur einmal ins Bild setzen, was eigentlich
vorgeht«, sagte Billy. »Damit hier keine Mißverständnisse
aufkommen …« Er ließ sich in einen Sessel fallen. »Setz dich,
Tom«, forderte er mich auf. »Ich glaube, du kannst einen Drink
gebrauchen.«
Er hatte recht. Ich setzte mich und nahm das Glas, das er mir
gab. Wir tranken. Er blickte auf. Mir gegenüber saß der Senior des
Clans, Billy I., unsere Augen trafen sich.
»Wenn ihr wissen wollt, was mit Debbie los ist, warum fragt
ihr sie nicht selbst?« sagte ich.
Billy I. legte seine runzeligen Pranken flach auf den Tisch.
»Das ist das Problem. Wir können Debbie nicht fragen, weil sie
verschwunden ist.«
»Ich bin in ein Irrenhaus geraten!« sagte Billy mit
schneidendem Hohn und wandte sich zu Jack. »Deine Tochter brennt durch,
weil sie Hummeln im Hintern hat, und du holst mich mitten in der Nacht
aus Miami zurück, wo ich gerade einen wunderschönen Vertrag für die
Cunningham Corporation unterzeichnen will. Nächstens wird der Clan
zusammengetrommelt, weil das gute Kind einen bösen Traum hatte oder
vegetativ verstimmt ist.«
Das Zucken auf Jacks Gesicht war stärker geworden. Er sah
plötzlich alt und verbraucht aus. »Sag ihm, was los ist, Billy I.«,
brummte er.
Billy I. betrachtete die Altersflecken auf seinen Handrücken.
»Bisher waren wir nicht sicher, was mit Debbie passiert ist«, sagte er
mit verhaltener Stimme. »Nicht einmal gestern nachmittag,
als …« Er hob den Blick und fixierte mich. »Jetzt, wo Tom hier
ist, gibt es wohl keinen Zweifel mehr. Debbie ist entführt worden.«
Der Raum um mich schien plötzlich von einem blaugrauen Nebel
erfüllt, das Stimmengewirr wich zurück.
»Entführt von wem?« hörte ich mich sagen.
»Keine Ahnung«, sagte Frank, angewidert von soviel Naivität.
»Entführer geben nur in seltenen Fällen ihre Visitenkarte ab.«
Er hatte recht, es war eine törichte Frage gewesen.
»Wann ist das passiert?« schaltete sich Billy ein.
»Samstag oder Sonntag vormittag«, beantwortete Billy I. die
Frage. »Wir wissen es nicht genau.«
Ich dachte nach. Wir hatten Montag. Besser gesagt Dienstag
früh, es war drei Uhr morgens.
Billy I. deutete auf Joe Cunningham. »Der letzte, der Debbie
gesehen hat, war Joes Frau.«
»Stimmt genau«, sagte Joe Cunningham. »Linda ist mit Debbie
zum Einkaufen gefahren, das war Samstag vormittag. Sie sind bei
Nieman-Marcus gewesen und haben noch zusammen Mittag gegessen.«
»Und dann?« fragte Billy.
Joe hob die Schultern. »Dann kam Linda nach Hause.«
»Hat Debbie ihr gesagt, was sie Samstag nachmittag vorhatte?«
»Nein.«
Es war offensichtlich, daß diese Art von
Befragung zu nichts führen konnte. »Wie kommt ihr überhaupt darauf, daß
sie gekidnapt worden ist?« sagte ich. »Billy zum Beispiel war bisher
der Meinung, daß sie ganz einfach durchgedreht ist und nun in
irgendeinem Hotel rumsitzt. Das ist übrigens auch meine Meinung. Wie
kommt ihr also auf Entführung?«
»Weil die Entführer eine Nachricht geschickt haben«, sagte
Billy I. »Jack hat den Brief bekommen. Um ehrlich zu sein, wir haben
zunächst gedacht, daß sich irgend jemand einen dummen Scherz erlaubt.
Bis wir feststellten, daß Debbie wirklich verschwunden war.«
»Wo wohnte sie denn zuletzt?«
»Bei mir!« sagte Jack Cunningham vorwurfsvoll. »Meine Tochter
war sehr unglücklich.«
»Ihr habt euch lange Zeit gelassen«, stellte ich fest. »Seit
Samstag mittag ist sie verschwunden, und es wird Montag, ehe ihr das
merkt.« Ich wandte mich an Jack. »War das Bett denn nicht benutzt, als
du am Sonntag nachgesehen hast? Man würde doch meinen, daß jemand, der
bei dir wohnt, irgendwann zum Frühstück erscheint.«
»Was sollen die Vorwürfe jetzt«, rügte mich Billy I. »Nach
Lage der Dinge mußten wir doch annehmen, daß sie zu dir zurückgeflogen
war.«
»Dann hätte sie euch eine Nachricht hinterlassen«, wandte ich
ein. »Sie mag ja etwas komisch sein, aber sie ist doch nicht verrückt.
Als sie bei mir ausgezogen ist, hat sie einen Brief zurückgelassen,
damit ich Bescheid wußte. Und was ist mit ihrer
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