Bahama-Krise
Debbie
bei mir in Freeport ist.«
»Er wußte doch, daß sie nicht bei dir sein konnte«, wandte
Billy ein. »Sie war in Houston.«
»Vielleicht fliegt sie gern«, sagte ich leichthin. »Vielleicht
wird sie spitz, sobald beim Start der Sitz erbebt.«
»Du meinst, die Wanderlust hat sie gepackt?« brauste er auf.
»Das wäre jetzt zum zweitenmal! Ich will dir mal was sagen. Diesem
Mädchen gehört der Hintern versohlt, damit sie lernt, wo's eigentlich
langgeht. Und wenn du's nicht tust, werde ich es tun. Es wird Zeit, daß
sie lernt, was sich gehört.«
Ich zuckte die Schultern. Wenn man einer Frau den Hintern
versohlen will, dann muß man sie übers Knie legen. Und dazu muß sie
greifbar sein. Debbie aber war nicht da. Niemand schien zu wissen, wo
sie steckte.
Ein Fahrer erwartete uns am Flugplatz in
Houston. Eine Stunde später saß ich am Tisch mit einer Vollversammlung
des Cunningham-Clans. Es war die Art von Familientreffen, wie ich sie
nicht so liebe. Wie ich feststellte, war die Konferenz schon seit
einiger Zeit im Gange. Ich war nur ein Gast, den man zusätzlich
herbeordert hatte, als Dekor sozusagen. Jack Cunningham führte den
Vorsitz. Gebräunt, mit silbergrauem Haar und den Charakterfältchen an
den richtigen Stellen, wirkte er wie die Hollywoodausgabe eines
US-Senators. Billy I. saß zu seiner Rechten und stierte auf die
Edelholzplatte des Konferenztisches. Ich erkannte Frank, den Bruder von
Debbie, der mich mit unverhohlener Feindseligkeit musterte. In zweiter
Reihe hatte der Rest des Clans Platz genommen, entfernte
Familienmitglieder, die ich heute zum erstenmal zu Gesicht bekam. Sie
schauten mit achtungsvoller Miene zu Jack Cunningham hinüber, als
erwarteten sie von dort das Stichwort für ihren Auftritt. Es war ein
texanisches Sittengemälde, wie es Tennessee Williams nicht hätte besser
zeichnen können. Und es entsprach dem Selbstverständnis der
Versammelten, daß an dieser Sitzung keine einzige Frau teilnahm.
Als Billy und ich eintraten, verstummte das Gespräch. Billy
gab seinem Vater mit scheuer Geste die Hand und brachte im Texas-Drawl
ein »Morgen, allerseits!« hervor. Dann erhob sich allgemeines
Stimmengewirr, das schließlich von Jack Cunningham durch ein
mehrmaliges Aufstampfen mit der Whiskyflasche unterbrochen wurde.
Die ganze Versammlung erinnerte mich etwas an ein
Stadtverordnetentreffen im Chicago der Zwanziger Jahre, wie man es in
den Filmen sieht. Die Lokalgrößen kamen zusammen, um die Posten
auszukungeln. Es fehlte nur der rauchumhüllte Billardtisch. Die
Cunninghams hatten Aircondition. Einige hatten ihre Jacken ausgezogen
und die Krawatten gelockert. Es roch nach teuren Havannas. Jack
allerdings hatte seine Jacke anbehalten, er war wie aus dem Ei gepellt.
Er sah mit blutunterlaufenen Augen in die Runde, sein linker Mundwinkel
zuckte.
»Weißt du, was mit Debbie passiert ist, Tom?« sagte er
unvermittelt und heftete den Blick auf mich. Die Frage vertrug mehrere
Auslegungen. Entweder sie war nur rhetorisch gemeint, als Einstieg für
ein stimmungsvolles Donnerwetter. Oder aber er wußte wirklich nicht, wo
Debbie steckte. Sein Gesicht war undurchdringlich.
Es gab keine Möglichkeit, seine Absichten herauszufinden.
»Woher soll ich das wissen?« sagte ich. »Debbie hat mich
verlassen, das ist alles.«
»Er gibt es zu!« ließ sich Frank vernehmen.
»Ich gebe gar nichts zu«, verteidigte ich mich. »Alles, was
ich sage, ist, Debbie hat die Kurve gekratzt. Sie hat mich
sitzenlassen.«
»Sicher nicht ohne Grund«, sagte Frank salbungsvoll. »Wir
würden gerne erfahren, was du mit ihr gemacht hast?«
Billy Cunningham ging auf den Tisch zu und nahm die
Whiskyflasche. »Gibt's hier auch saubere Gläser?« knurrte er. Er fand
ein Glas und goß sich ein. Dann wandte er sich an Debbies Bruder. »Du
hältst jetzt deinen losen Rand, sonst kriegst du Ärger mit mir!« Er
sprach ruhig, aber eine Schärfe klang durch, die nichts Gutes ahnen
ließ. »Weißt du, was deine Schwester ist, Frank? Ein verzogenes Gör,
das tüchtig was hinter die Ohren braucht. Wenn man Tom etwas vorwerfen
kann, dann höchstens, daß er sie nicht hart genug angefaßt hat. Debbie
ist zeit ihres Lebens verwöhnt worden, nach Strich und Faden. Sie hat
alles gekriegt, was sie sich in den Kopf setzte. Die Freunde, die sie
sich vor der Heirat ausgesucht hat, waren nie richtige Männer, immer
nur Waschlappen, die sie um den Finger wickeln konnte. Als sie merkte,
daß sie das mit Tom nicht machen konnte, hat sie
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