Bahnen ziehen (German Edition)
zwei Hartplastikschalen, die direkt in die Augenhöhlen gesetzt wurden, ohne Gummi- oder Schaumstoffdichtung. Mit einem grünen Paar gewann Janet Evans bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul Gold auf 400 Meter und 800 Meter Freistil und 400 Meter Lagen. Es gab einen Trainer, der bei Wettkämpfen im Schwimmbad Schwedenbrillen für zwölf Dollar verkaufte. Ich nahm zwei Paar, ein rotes und ein braunes, die in Einzelteilen in schmalen Reißverschlusstäschchen geliefert wurden. Die braune zum Trainieren, die rote für Wettkämpfe. Die Schwimmbrillen markierten einen Fortschritt in meiner Schwimmkarriere, von mittel zu gut. Mit ihnen entstand meine Loyalität zu Ausrüstung, Ritualen und Mustern. Die Schwedenbrille war wie ein Freimaurerhandschlag. Noch heute, wenn ich andere Schwimmer damit sehe, weiß ich, dass sie Bescheid wissen.
Seit ich 1992 mit dem Leistungsschwimmen aufgehört habe, bestand mein Sportprogramm aus einer Abfolge von Joggen, Kickboxen (nur kurze Zeit), Bahnen schwimmen im YMCA , Bahnen schwimmen im Gartenpool, Bahnen schwimmen mit einer Gruppe von italienischen Illustratoren – immer bevor wir gemeinsam in eine Saftbar gehen, wo sie rauchen und Karottensaft trinken –, Tennisstunden, Yoga, einem frühmorgendlichen Bootcamp und – nachdem ich mich von einem Bademeister oder Trainer, dem ich aufgefallen bin, am Beckenrand habe überreden lassen – dem entspannten Mittrainieren bei verschiedenen Mannschaften in verschiedenen Städten. Wenn ich das tue, fängt es immer gut an, aber irgendwann vergeht mir die Lust auf die Strapazen im Hauptteil, ich lasse mich von meinen Trainingszeiten entmutigen und bereue den Verlust an Autonomie.
Als ich die Vorbehalte beiseiteschiebe und mich einem New Yorker Schwimmteam anschließe, nehme ich das Training auf wie eine alte Gewohnheit, wie einen abgelegten Wintermanteloder eine alte Freundschaft. Alles ist vertraut, aber, wie mir ein Teammitglied erklärt, mir fehlen Pullbuoy und Flossen, und es ist die perfekte Entschuldigung, nach einer neuen Schwimmbrille zu suchen.
Als ich mir das Sortiment bei Paragon Sports ansehe, entdecke ich ein Paar, das auf der Schwedenbrille basiert: dichtungslose, in die Augenhöhle passende Hartplastikschalen zum Selbst-Zusammenbauen. Eine Variante heißt Socket Rocket.
Abends vor einem Morgentraining sträubt sich alles in mir gegen die Vorstellung, so früh aufstehen und schwimmen zu müssen. In meinem Kopf regt sich Protest, eine überzeugend klingende Stimme redet mir ein, ich solle es sein lassen. Ich muss diese Impulse mental gefriertrocknen, damit mein Körper aufsteht, sich den Badeanzug anzieht, die Schuhe zubindet, die Tasche nimmt und zum Fahrstuhl geht. Ab da – wie beim Gleiten in den kalten Hampstead Pond – ist alles eine geschmeidige Bewegung: die Straße, die Häuserblocks in Richtung Uptown, das Gebäude, die Treppe, die Schwimmhalle.
Doch sobald ich in der Halle bin, knickt mein Wille ein, und der Widerstand ist wieder da. Auf den ersten hundert Metern ist das Wasser bitterkalt. Angesichts der noch vor mir liegenden Strecke und des Intervalltrainings schwillt das innerliche Murren zum Geheul an. Ich lasse mein verschwommenes Gesichtsfeld noch mehr verschwimmen und zwinge meinen Körper, die Meter zu fressen, die Bahnen zu fressen. Mein Körper ist konstant in Bewegung, während mein Hirn an der Uhr klebt, versucht, den Minutenzeiger zum Wandern zu zwingen, die Minuten zu vertilgen. Mein Kopf und meine Arme sind streitende Eheleute, die sich gegenseitig anflehen nachzugeben.
Offensichtlich fehlt mir das Commitment, wie es auf einem Handzettel definiert ist, den mein Trainer Greg 1987 aus dem Buch Praktische Grundlagen der Psychologie des Schwimmers von Dr. Keith Bell kopiert hat. Ich habe den Zettel immer noch. Auf der Doppelseite stehen zwei Absätze mit dem Titel »Make a Commitment«:
Commitment ist wichtig. Wenn du dir ein langfristiges Ziel gesetzt hast, hast du dich auf den Weg begeben. Ohne Commitment läufst du Gefahr, jeden einzelnen Schritt des Weges zu hinterfragen.
Stell dich mit Überzeugung hinter das intensive Trainingsprogramm. Gestatte dir nicht, spontan zu entscheiden, ob du an einem bevorstehenden Training teilnimmst oder nicht oder ob du die nächste Trainingseinheit auf die leichte Schulter nimmst. Es hat keinen Sinn, entscheiden zu müssen, ob du jeden einzelnen Schritt einer Reise machen willst, für die du dich bereits entschieden hast.
Habe ich ein langfristiges Ziel?
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