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Bahners, Patrick

Bahners, Patrick

Titel: Bahners, Patrick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Panik-Macher
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Kulturkreis» müsse es
ja wohl ein Gewohnheitsrecht des prügelnden Ehemanns geben, deutet darauf hin,
dass sie islamkritische Auffassungen rezipiert hatte, als Teil des allgemeinen
Bildungswissens, wie es für heutige Zeitungsleser normal ist. In der Annahme
einer unmittelbaren eherechtlichen Geltung der einschlägigen Koranverse kommen
Islamkritik und Islamismus überein. Das 2005 im Sinne westlicher Standards
reformierte marokkanische Familienrecht führte die Richterin nicht an.
Stattdessen legte sie in der dienstlichen Erklärung zum Ablehnungsgesuch dar:
«Die Ehre des Mannes ist im Koran, einfach ausgedrückt, an die Keuschheit der
Frau gebunden. Das heißt im Grunde genommen, dass für einen islamisch erzogenen
Mann das Leben einer Frau nach westlichen Kulturregeln bereits einen
Tatbestand der Ehrverletzung erfüllt.» Seyran Ates und Neda Kelek sagen
dasselbe und drücken es ebenso einfach aus.
    Die Koranauslegung des Frankfurter Amtsgerichts war eine
amateurtheologische Exkursion ohne kundige Führung. Für wie wahrscheinlich
hält man es, dass die Berliner Richter, mit denen Frau Ates zu tun hat, in
großer Zahl einen ähnlichen religionsethnologischen Ehrgeiz entfalten, dann
aber in ihren schriftlichen Urteilen die Fundstellen und sogar jeden Hinweis
auf den Koran weglassen? Seyran Ates genießt hohes Ansehen, weil sie auf der
Seite des Guten steht und 1984 lebensgefährlich verletzt wurde, als ein Mann in
der Kreuzberger Beratungsstelle für misshandelte Frauen, in der sie arbeitete,
eine Frau erschoss. Als sie 2006 vorübergehend ihre Anwaltszulassung zurückgab,
sahen einige Kommentatoren den Rechtsstaat gefährdet. Auch Anwälte, die sich
nur von der guten Seite mandatieren lassen, gewinnen nicht jeden Prozess. Wenn
der Text des Urteils dann keinen Ansatzpunkt für eine Rüge bietet, erzählen
Strafverteidiger, die Richter seien gegen den Angeklagten voreingenommen
gewesen. Und Opferanwälte ziehen über die Milde verlogener Liberaler her, die
ihre Gründe noch nicht einmal offenzulegen wagten.
     
    Falschmeldungen über Ehrenmordprozesse
     
    Der «Spiegel» nahm den Frankfurter Fall zum Anlass einer
Titelgeschichte: «Mekka Deutschland - Die stille Islamisierung». Das Titelbild
zeigte das Brandenburger Tor unter Halbmond und Stern auf nachtschwarzem
Hintergrund. Der Artikel trug die Überschrift «Haben wir schon die Scharia?»
Armin Laschet, der Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen, ließ sich mit
einem schrillen Satz zitieren: Die Frankfurter Entscheidung sei das «vorläufig
letzte Glied einer Kette erschreckender Urteile deutscher Gerichte». Laschet,
der immerhin das erste juristische Staatsexamen abgelegt hat, hatte mit dem
Begriff des Urteils also auch seine Schwierigkeiten. Auf Nachfrage des
«Tagesspiegel» nannte Laschet kein einziges weiteres Glied der Schreckenskette,
sondern verwies auf eine ominöse «Liste »,
aus der er ein Beispiel anführte: Richter hätten «Ehrenmorde nur als
Totschlag» gewertet. Das war wenigstens genauer als Alice Schwarzers Bild von
den zahlreichen aufgrund kultureller Umstände freigesprochenen Verbrechern -
ein Phantasieprodukt aus dem Gangsterfilm.
    Seit der Ansiedlung der ersten Gastarbeiterfamilien in der
Bundesrepublik befassen sich Rechtsprechung und Rechtswissenschaft mit der
Frage, wie bei Gewalttaten im Namen der Sippenehre der Wertehorizont des
Täters im Urteil zu berücksichtigen ist. Dass die Gerichte die
Gemeinschaftsvorstellungen hinter solchen Akten der Selbstjustiz zu
berücksichtigen haben und nicht einfach ignorieren können, ergibt sich aus dem
Schuldgrundsatz des Strafrechts. Nicht der objektive Verstoß gegen die
Rechtsordnung wird bestraft, sondern die dem Täter vorwerfbare Tat. Für die
Grenzziehung zwischen Mord und Totschlag, den beiden Delikten vorsätzlicher
Tötung, kommt es auf die Motive des Täters an. Eines der Mordmerkmale des
Strafgesetzbuchs sind die niedrigen Beweggründe, üblicherweise tautologisch
definiert als Tatantriebe, die sittlich auf tiefster Stufe stehen und nach
allgemeinen Wertmaßstäben besonders verachtenswert erscheinen. Wie sind
Antriebe zu bewerten, die sich als Pflichten innerhalb einer Ethik darstellen
lassen, die mit unserer Ethik unvereinbar ist? Ist die subjektive oder formale
ethische Qualität solcher Beweggründe ein Grund, sie nicht auf die tiefste
Stufe zu stellen - weil man die Mordlust des Amokläufers für noch verächtlicher
halten möchte? Mit

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