Bahners, Patrick
ihrem Befangenheitsantrag
statt.
Wenn die Koranrezeption der Richterin wirklich so
repräsentativ war, warum sprang ihr dann kein Experte bei? Etwa Mathias Rohe,
Islamwissenschaftler und Ordinarius für Bürgerliches Recht an der Universität
Erlangen, einer der Lieblingsfeinde der «Emma»? Um zu dokumentieren, dass «der
Prozess der des deutschen Rechtsstaates» mit Billigung
höchster Regierungsstellen vorangetrieben werde, setzt sich Alice Schwarzer in
«Die große Verschleierung» mit einer von Rohe mitverfassten Handreichung zu
schulpraktischen Fragen auseinander, die 2009 als Teil des Zwischenresümees der
Deutschen Islamkonferenz vervielfältigt wurde. «In diesen vom Innenministerium
veröffentlichten wird einfach behauptet, die
Religionsfreiheit habe Vorrang vor dem staatlichen Bildungs- und
Erziehungsauftrag.» Der Satz, den Frau Schwarzer hier meint und offenbar nur
flüchtig gelesen hat oder absichtlich verzerrt, bezieht sich auf ein bestimmtes
Problem, den gemeinsamen Sportunterricht von Jungen und Mädchen. Das Papier
schlägt eine nach Altersstufen differenzierende Lösung vor: «Bei Schülerinnen
ab Beginn der Pubertät, also etwa ab der Jahrgangsstufe 5, überwiegt in der Abwägung ihre Religionsfreiheit
gegenüber dem staatlichen Bildungs-/ Erziehungsauftrag durch Sport-
einschließlich Schwimmunterricht.» Die auf Antrag im Einzelfall gewährte
Befreiung von der Teilnahmepflicht trage in dieser Phase der Schullaufbahn
«der unterschiedlichen Entwicklung von Jungen und Mädchen ab der Pubertät»
Rechnung.
Zum entgegengesetzten Ergebnis, von Frau Schwarzer
überlesen oder unterschlagen, kommt die Abwägung bei jüngeren Kindern, die
zunächst «grundlegende Erfahrungen von Abgrenzung und Distanz zum anderen
Geschlecht wie Gemeinschaftlichkeit und Nähe» machen sollen. «Gegenüber diesen
Bildungs- und Erziehungszielen der öffentlichen Schule müssen hier
grundsätzlich die Glaubensfreiheit der Schülerinnen und Schüler und das
elterliche Erziehungsrecht zurücktreten, d. h. es besteht weder ein Anspruch
auf getrennte Unterrichtung noch auf Befreiung vom Sport- bzw.
Schwimmunterricht aus religiösen Gründen.» Auch Ansprüche auf Befreiung vom
Sexualkundeunterricht und von Klassenfahrten werden verneint. Allgemein stellt
das Papier fest, der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag aus Artikel 7 des Grundgesetzes und die Grundrechte der Eltern und
Schüler aus den Artikeln 6 und 4 könnten «in bestimmten Situationen des Schulalltags in
Kollision geraten» und müssten dann «zu einem schonenden Ausgleich im Sinne
einer praktischen Konkordanz gebracht werden» - weil eben keiner der beiden
Seiten in allen Situationen der Vorrang zukommt.
Ein Feldzug Alice Schwarzers
In der Kampagne der Börne-Preisträgerin und «Bild»-Autorin
gegen den Erlanger Juristen hat das irreführende Zitieren Methode. Immer wieder
wird Rohe ein Zitat aus einem Interview vorgehalten, das er 2002 nach dem
Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Schächten der «Frankfurter Rundschau»
gegeben hatte: «In Deutschland wenden wir jeden Tag die Scharia an. Wenn
Jordanier heiraten, dann verheiraten wir sie nach jordanischem Recht. Die
Menschen haben in diesen privaten Verhältnissen Entscheidungsfreiheit.» Frau
Schwarzer setzt in «Die große Verschleierung» hinzu, dies habe Rohe «noch vor
einigen Jahren kritiklos» erklärt. Er gebe sich «an etlichen Punkten neuerdings
auch durchaus kritisch». Das «neuerdings» ist eine Zutat des Buches gegenüber
der Erstveröffentlichung in Emma Nr. 5 von 2009.
Nahegelegt wird die Botschaft: Der akademische Advokat der Scharia-Importeure
weiß sich zu verstellen, wie seine Klienten. In einem Artikel mit dem Titel
«Muslim-Freund Möllemann & und die neuen Konvertitinnen» hatte die «Emma»
2002 auch Rohe abgebildet und in der Bildunterschrift die Frage gestellt, ob er
ein «verdeckter Konvertit» sei. In einer Richtigstellung musste die Zeitschrift
diese Unterstellung zurücknehmen. Von einem Wandel in Rohes Äußerungen über
Bedingungen und Grenzen der Scharia-Anwendung im rechtsstaatlichen Rahmen kann
keine Rede sein. Die angeblich kritiklosen, unter den Islamhassern von Blog zu
Blog herumgereichten Interviewsätze waren eine harmlose Aussage zum geltenden
Recht.
Teil der deutschen Rechtsordnung ist das Internationale
Privatrecht, im wesentlichen kodifiziert im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen
Gesetzbuch (EGBGB). Es bestimmt,
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