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Balkan Blues

Balkan Blues

Titel: Balkan Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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zu finden, bestrafen. Da hörte er ein Klimpern zwischen seinen Beinen. Er bückte sich und erkannte eine Fünfzig-Cent-Münze. Er blickte sich um, ob ihn jemand beobachtete, und steckte sie in seine Hosentasche. Kurz darauf regnete es wieder Geld, diesmal war es ein Ein-Euro-Stück. Schlagartig kam ihm eine simple Erkenntnis: Wenn du Grieche bist und bettelst, bist du ein Junkie. Wenn du vom Balkan kommst und bettelst, bist du ein Untermensch, der an die Großzügigkeit des durchschnittlichen griechischen Souflakiessers appelliert. So entdeckte er durch Zufall den einzigen Beruf, den er ausüben konnte: bosnisch-serbischer Bettler.
    »Warum arbeitest du nicht wenigstens auf dem Bau, wenn du schon den bosnischen Serben spielst? Wenn du willst, kann ich ein gutes Wort für dich einlegen«, hatte Milenas Bruder gemeint, der als Handwerker sofort untergekommen war.
    Aber Vassilis wollte nicht. Selbst wenn man ihn ohne Papiere einstellte, so konnte ihm doch jederzeit bei der Arbeit ein griechisches Wort entschlüpfen. Und das würde ihn in die Bredouille bringen. Sicher, auch beim Betteln mußte er seine Zunge im Zaum halten, aber da war ein Fehltritt nicht so schlimm. Und außerdem wollte er sich von seinen Landsleuten nicht ausbeuten lassen.
    Während er über all das nachsann, suchte er im Geiste bereits nach einem neuen Stammplatz. Auf den Viktoria-Platz konnte er nicht zurückkehren, dort würde ihm nur weit Schlimmeres blühen. Plötzlich fiel ihm das auch mittags geöffnete Grillrestaurant am unteren Ende der Lenormand-Straße ein, dessen Tische in einem kleinen Park standen. Er warf das Handtuch zur Seite und machte sich zu einem Erkundungsgang auf. »Mir scheint, ich habe einen prima Stammplatz gefunden«, sagte er auf serbisch zu Milena.
    Sie entgegnete nichts, sondern blickte ihn nur einen Augenblick stumm an, um nicht in Tränen auszubrechen. Dann nahm sie ihn in die Arme.
     
    Er schlug sein Lager beim Grillrestaurant an der Ecke zur Straße auf. Gegenüber lag der kleine Park mit seinen Bänken und Blumenbeeten, und dazwischen standen die kleinen Gartentische des Lokals. Sie waren mit riesigen, durch Gummibänder festgezurrten Papiertischtüchern bedeckt.
    Zur Mittagszeit gab es nur wenige Gäste, und niemand beachtete ihn. Doch gegen Abend wurde die Lage heikler. Ein Kellner trat auf ihn zu und bemühte sich, ihm durch Worte und Gesten zu erläutern, daß jetzt gleich viel Betrieb sein würde und sie ihn vor ihren Füßen nicht gebrauchen konnten. Ohne Widerrede packte er seine Sachen und ging auf die andere Seite. Er ließ sich an der Wand des Wohnhauses nieder, das direkt an das Grillrestaurant grenzte. So verlor er zwar den Eckposten, entging jedoch dem Gemecker.
    Das Grillrestaurant hieß Korachais’ Buletten , und als er einen verschwitzten Typen mit offenem Hemd auf sich zusteuern sah, begriff er, daß es Korachais sein mußte.
    »Wir haben dir nicht gesagt, daß du den Platz wechseln, sondern daß du verschwinden sollst«, bellte er. »Vor meinem Lokal hast du nichts verloren.«
    »Hier nix dein Lokal.«
    »Hier ist mein Wohnhaus. Hörst du, was ich sage? Nicht meine Wohnung, sondern mein Wohnhaus. Alle vier Etagen gehören mir. Pack zusammen und verschwinde.«
    Ob er aus Angst nachgab oder wegen des unerträglichen Geruchs nach Grilldunst und Schweiß, den Korachais verströmte – er wußte es nicht. Jedenfalls hatte er nicht vor, klein beizugeben. Sobald Korachais ihm den Rücken gekehrt hatte, schlug er den Weg zum kleinen Park ein. Er suchte sich eine Bank aus und setzte sich zu ihren Füßen hin. Gegenüber lagen die Tische des Grillrestaurants, an denen die Gäste vor dampfenden Schüsseln saßen. Er spürte, wie sein Magen knurrte. »Das Sarajevo-Syndrom«, dachte er. »Ob man Hunger hat oder nicht, sobald man Essen sieht, beginnt der Magen zu knurren.«
    »Jannis, gib ihm was, zum Teufel noch mal. Ich möchte nicht, daß mir hungrige Leute beim Essen zusehen.«
    »Seit heute morgen jagen wir ihn immer wieder weg, aber er geht nicht.«
    »Was kümmert dich das eigentlich?« meinte der Gast zu seiner Frau.
    »Was mich das kümmert? Wenn wir sie schon am Hals haben, dann sollen sie uns wenigstens in Ruhe essen lassen.«
    Vassilis sah von weitem, wie der Kellner und Korachais auf ihn zukamen, doch er rührte sich nicht von der Stelle.
    »Hab ich dir nicht gesagt, du sollst abhauen, Scheißkerl!«
    »Hier Park, hier nix Lokal.«
    »Jetzt zeig ich’s dir aber.« Er begann ihn hochzuzerren.
    Auf

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