Ball der Vampire
Freundin Tara Thornton.
Ich hatte Tara eine ganze Weile nicht gesehen. Sie war in Urlaub gewesen, bei einer Tante in Texas, und seit ihrer Rückkehr arbeitete sie immer bis spätabends in ihrem Laden. Zumindest hatte sie mir das erzählt, als ich sie anrief, um ihr für das Auto zu danken. Als meine Küche abbrannte, war auch mein Auto mit in Flammen aufgegangen, und Tara hatte mir ihr altes geliehen, einen zwei Jahre alten Malibu. Sie selbst besaß einen brandneuen Wagen (wie auch immer sie an den gekommen war) und hatte es noch nicht geschafft, den Malibu zu verkaufen.
Zu meiner Überraschung bekam ich vor ungefähr einem Monat von Tara die Autopapiere und den Kaufbrief geschickt, und dazu schrieb sie, der Malibu würde jetzt mir gehören. Ich rief sie sofort an, um zu protestieren, doch sie gab nicht nach, und schließlich war mir nichts anderes übrig geblieben, als ihr für das Geschenk zu danken.
Sie betrachtete es als Gegenleistung, da ich sie aus einer schrecklichen Situation befreit hatte. Um das tun zu können, hatte ich allerdings Eric um einen Gefallen bitten müssen. Doch das war mir egal gewesen, denn Tara war, schon so lange ich denken konnte, meine Freundin. Jetzt war sie in Sicherheit, falls sie klug genug war, sich von der Welt der Übernatürlichen fernzuhalten.
Natürlich war ich dankbar und erleichtert, wieder ein Auto zu haben - so ein neues hatte ich noch nie zuvor besessen -, ihre ungebrochene Freundschaft wäre mir jedoch bedeutend lieber gewesen. Vermutlich erinnerte ich sie einfach an zu viele schlimme Dinge, und jedenfalls hatten wir uns zuletzt kaum noch gesehen. Doch heute war ich in der Stimmung, dem ein Ende zu machen. Vielleicht war ja auch für Tara inzwischen genug Zeit vergangen.
Tara's Togs befand sich in einer Ladenzeile im Süden von Bon Temps. Noch ein anderer Wagen parkte vor dem Eingang der Boutique. Vielleicht gar nicht schlecht, wenn noch jemand da ist, dachte ich. Dann mussten wir nicht gleich zu persönlich werden.
Tara bediente gerade Andy Bellefleurs Schwester Portia, als ich hereinkam, und so begann ich erst mal, die Sachen in Größe 38 durchzusehen. Portia saß am »Isabelle«-Tisch, was höchst interessant war. Tara ist in unserem Umkreis die einzige Vertreterin für »Isabelles Brautmoden«, eine Firma, die amerikaweit tätig ist und einen Katalog herausgibt, der zur Bibel aller Heiratswilligen geworden ist. Eine »Isabelle«-Vertreterin hat alle Kleider zur Ansicht vorrätig, etwa die für die Brautjungfern, die es in ungefähr zwanzig Farben und in jeder beliebigen Größe gibt. Und die Hochzeitskleider sind genauso beliebt. »Isabelles Brautmoden« hat fünfundzwanzig Modelle im Programm, außerdem Hochzeitseinladungen, Dekorationen, Geschenke für Brautjungfern und allen sonstigen Hochzeitskrimskrams, den man sich nur vorstellen kann. Allerdings bestand die Zielgruppe von »Isabelle« vor allem aus Frauen der Mittelschicht. Portia aber gehörte eindeutig zur Oberschicht.
Portia hatte immer mit ihrer Großmutter und ihrem Bruder in der Bellefleur-Villa in der Magnolia Street gewohnt und war dort inmitten zerfallender Pracht aufgewachsen. Seit die Villa renoviert war und ihre Großmutter öfter Einladungen gab, wirkte Portia deutlich glücklicher, wenn ich sie mal irgendwo in der Stadt sah. Sie kam nicht allzu häufig ins Merlotte's, doch wenn sie in letzter Zeit in der Bar gewesen war, hatte sie sich stets viel mehr mit anderen Leuten abgegeben und sogar ab und zu gelächelt. Portia war eine recht unscheinbare Frau knapp über dreißig, deren großer Vorzug ihr dickes glänzendes, kastanienbraunes Haar war.
Portia dachte an nichts anderes als an Hochzeit , und Tara dachte an nichts anderes als an Geld .
»Ich muss noch mal mit Halleigh reden, aber ich glaube, wir brauchen vierhundert Einladungen«, sagte Portia gerade, und ich dachte, mir fällt die Kinnlade herunter.
»Aber sicher, Portia, wenn es dir nichts ausmacht, den Eilzuschlag zu zahlen, haben wir sie in zehn Tagen.«
»Oh, prima!« Portia war geradezu begeistert. »Natürlich werden Halleigh und ich verschiedene Kleider tragen, aber wir dachten, wir könnten vielleicht dasselbe Modell für die Brautjungfern nehmen. Am besten in unterschiedlichen Farben. Was denkst du?«
Ich dachte, dass ich gleich an meiner eigenen Neugier ersticken würde. Portia wollte auch heiraten? Etwa diesen langweiligen Steuerberater aus Ciarice, mit dem sie seit einiger Zeit zusammen war? Bei einem flüchtigen Blick
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