Ball der Vampire
Lächeln erwidern. Mein Ego hatte am Abend zuvor einen Schlag in die Magengrube hinnehmen müssen (aber daran dachte ich schon gar nicht mehr) , und ein bisschen Bewunderung wie die des Wachmanns war genau das, was ich brauchte - auch wenn sie eigentlich von Claudines Geruch ausgelöst worden war.
Melanie war eine zarte Frau, selbst in der martialischen Uniform. »Hmm, Sie riechen wirklich wie eine Elfe«, bestätigte sie und warf einen Blick auf ihr eigenes Klemmbrett. »Sie sind Miss Stackhouse? Die Königin hat Sie schon gestern Abend erwartet.«
»Ich wurde verletzt«, sagte ich und hielt ihr meinen verbundenen Arm hin. Dank jeder Menge Aspirin war der Schmerz nur noch ein dumpfes Klopfen.
»Ja, ich habe davon gehört. Der Neue hat inzwischen eine Einweisung bekommen, es gibt einen Mentor für ihn, und sie haben eine freiwillige Blutspenderin gefunden. Wenn er sich an seine neue Existenz gewöhnt hat, kann er uns vielleicht erzählen, wie er zum Vampir wurde.«
»Oh?« Ich hörte, wie meine Stimme schwankte, als ich erkannte, dass sie von Jake Purifoy sprach. »Kann er sich nicht erinnern?«
»Wenn es ein überraschender Angriff war, können sie sich manchmal eine Zeit lang nicht erinnern.« Melanie zuckte die Achseln. »Aber früher oder später kommt die Erinnerung zurück. Und in der Zwischenzeit gibt's erst mal freie Mahlzeiten.« Sie lachte über meinen fragenden Blick. »Die lassen sich sogar auf Listen eintragen, wissen Sie. Menschen können ja so dumm sein.« Wieder zuckte sie die Achseln. »Es macht keinen richtigen Spaß mehr, wenn man erst über den Kick des Blutsaugens hinweg ist. Der eigentliche Spaß war doch immer die Jagd.« Melanie war offenbar nicht allzu glücklich über die neuen Richtlinien zur Ernährung von Vampiren, die entweder durch freiwillige menschliche Spender oder synthetisches Blut versorgt werden sollten.
Ich versuchte, höflich interessiert zu wirken.
»Es ist einfach nicht mehr dasselbe, wenn die Beute sich einem anbietet«, grummelte sie. »Die Leute heutzutage.« Leicht erbittert schüttelte sie den Kopf. Da sie so klein und zart war, dass ihr Helm beinahe wackelte, musste ich lächeln.
»Er wacht also auf, und Sie treiben ihm einen Freiwilligen zu? So wie wenn man eine Maus in einen Schlangenkäfig wirft?« Ich bemühte mich, eine ernste Miene aufzusetzen, damit Melanie nicht den Eindruck bekam, ich würde mich über sie persönlich lustig machen.
Nach einem misstrauischen Zögern sagte Melanie: »Mehr oder weniger. Er ist unterwiesen worden. Und es sind andere Vampire bei ihm.«
»Und die Freiwilligen überleben das?«
»Sie müssen vorher einen Vertrag unterschreiben«, klärte Melanie mich auf.
Ich schauderte.
Wir standen vor dem Haupteingang der Residenz der Königin. Es war ein dreistöckiges Geschäftsgebäude, aus den fünfziger Jahren vielleicht, und erstreckte sich über einen ganzen Block. In anderen Städten wäre das Untergeschoss als Tagesruheort für die Vampire genutzt worden, doch das war in New Orleans mit seinem hohen Grundwasserspiegel nicht möglich. Man hatte eine andere Lösung gefunden: Die Fenster waren auf unverwechselbare Weise verziert. Die geschlossenen Holzfensterläden zeigten Motive des berühmten Mardi Gras, des Karnevals in New Orleans, die das eher langweilige Backsteingebäude mit rosa, violetten und grünen Mustern auf weißem oder schwarzem Untergrund aufpeppten. Auch irisierende Farbkleckse waren zu sehen. Es wirkte verwirrend, beunruhigend.
»Gibt die Königin hier auch Partys?«, fragte ich. Trotz der bunten Fensterläden hatte das gesetzte, rechteckige Geschäftsgebäude einfach nichts Festliches.
»Oh, sie besitzt ein altes Kloster«, erzählte Melanie. »Sie können es sich in einer Broschüre ansehen, ehe Sie hinfahren. Dort werden alle formellen Staatszeremonien abgehalten. Einige der Älteren können die ehemalige Kapelle nicht betreten, aber trotzdem ... das Kloster ist von einer hohen Mauer umschlossen und kann gut überwacht werden, und es ist wirklich schön dekoriert. Die Königin hat eine Wohnung dort, aber es ist zu unsicher, um das ganze Jahr über dort zu leben.«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Es war höchst unwahrscheinlich, dass ich dieses alte Kloster je zu sehen bekommen würde. Melanie schien sich zu langweilen und wollte gern weiterplaudern. »Sie sind Hadleys Cousine, nicht wahr?«, fragte sie.
»Ja.«
»Komischer Gedanke, richtige lebende Verwandte zu haben.« Einen Moment lang schien
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