Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Balla Balla

Balla Balla

Titel: Balla Balla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
Vom Netzwerk:
Schachgroßmeister und sah Plotek an, als wüsste der, warum. Aber vergiss es. Plotek hatte keinen blassen Schimmer.
    »Aus Angst vor Bakterien, Ansteckung, Tod. Geld konnte ich auch nicht anfassen. Ständig musste ich mir die Hände waschen. Zuletzt bin ich nur noch mit Handschuhen außer Haus, auch im Hochsommer.«
    Plotek wurde es ganz anders zumute. Obwohl ihm das Ordnen von Schachfiguren eher harmlos erschien. Aber vielleicht war das erst der Anfang und ein Ende der Zwanghaftigkeiten nicht abzusehen.
    »Dabei hatte ich ständig Herzrasen und Schweißausbrüche und vor Angst schlotterten mir die Knie – furchtbar«, fuhr der Schachgroßmeister fort und kickte soeben wieder ein Pferd vom Brett, das Plotek sogleich in das Heer der anderen Figuren einordnete.
    »Das geht auf neurobiologische Veränderungen im Hirn zurück. Die Impulsübertragungen in den Hirnarealen sind da etwas gestört.«
    Und was macht man dagegen, dachte Plotek und spürte, wie sein Herz zu rasen begann und die Hände feucht wurden.
    »Verhaltenstherapie«, sagte der Schachgroßmeister und dann: »Schach matt!«
    Puh, das ging aber schnell, dachte Plotek und stellte den König zu den anderen Figuren.
    Der Mann lächelte und zeigte dabei seine gelben schlechten Zähne.
    »Piotr«, sagte er und streckte Plotek seine Hand entgegen.
    »Plotek.«
    Plotek hatte augenblicklich das Gefühl, die Hände waschen zu müssen.
    Piotr öffnete sein Nachtkästchen, holte eine Flasche und zwei Gläser heraus und schenkte ein.
    »Prost.«
    Während sie den Wodka tranken, dachte Plotek an die neurobiologischen Veränderungen. Ob sie mit der SpVg Altona-Nord zu tun hatten, dem Pokalspiel, dem Stadion, der Ohnmacht? Möglich. Und wie zur Bestätigung schob er seine Hauspantoffeln ordentlich zusammen, als wären sie eineiige Zwillinge.
    »Manchmal gibt sich das aber auch wieder«, sagte Piotr, nachdem er noch einen Schluck getrunken hatte und sich erneut mit Ploteks Hirnarealen auseinandersetzte. »Zum Beispiel nach Unfällen, Schädel-Hirn-Traumata und so weiter.«
    Der kennt sich aber aus, dachte Plotek und war trotzdem nicht beruhigt. Piotr schenkte ein weiteres Mal die Gläser voll.
    »Prost.«
    Was Schwester Sieglinde wohl dazu sagen würde, dachte Plotek und schüttete den Wodka in einem Zug hinunter.
    »Die drückt ein Auge zu«, sagte Piotr, als hätte er Ploteks Gedanken erraten, und stellte die Schachfiguren wieder aufs Brett.
    »Manchmal auch zwei.«
    Ein seltsamer Glanz blitzte in Piotrs Augen und das Brandmal sah aus, als leuchtete es. Die beiden sagten nichts mehr, tranken und schienen ihren Gedanken nachzuhängen, bis Piotr schließlich schon ein wenig lallend fragte: »Revanche?«
    »Meinetwegen.«
    »Sie fangen an!«
    Plotek machte den ersten Zug mit dem weißen Bauern und wieder ordnete er die aus dem Spiel gekickten Figuren auf dem Nachtkästchen.
    Die beiden spielten den ganzen Tag und die halbe Nacht hindurch Schach, tranken Wodka und unterhielten sich über Zwangserkrankungen, Rituale und die Überaktivität im Gehirn.
    Ab und zu schaute Schwester Sieglinde oder eine andere Schwester herein, war aber jedesmal rasch wieder verschwunden.
    Warum Piotr im Krankenhaus lag, verriet er Plotek nicht. Das fand er sympathisch. Mit den eigenen Krankheiten nicht gleich hausieren, dachte Plotek und verlor auch die nächsten Partien haushoch.
    Spät in der Nacht waren beide so erschöpft und betrunken, dass sie wortlos einschliefen. Na ja, zumindest Piotr. Plotek nicht.
    Obwohl Piotr weder schnarchte noch sonst etwas, konnte Plotek nicht richtig schlafen. Seine zwanghaften Gedanken ließen ihn nicht los und noch im Dämmerzustand sortierte er imaginäre Schachfiguren. Und als er dann doch endlich einschlief, träumte er von Flugzeugabstürzen. Er sah sich selbst in einer Boeing sitzen, durch die Luft fliegen und abstürzen. Er sah sich durch die Wolken fallen, immer tiefer der Erde entgegen und dem Ozean. Er schlug auf der Wasseroberfläche auf und zerschellte in Millionen winzig kleiner Bruchstücke, die immer weiter nach unten sanken. Er sah, wie er von gierigen Haifischmäulern aufgefressen und im Haifischmagen verdaut und anschließend wieder ausgeschieden wurde. Er sah sich auf dem Meeresgrund liegen als kleine Haifischscheißhaufen und in die Weltmeere hineinstinken. Bis er schließlich vom unangenehmen Gestank aufwachte, in Schweiß gebadet, aber auch erleichtert, doch kein Scheißhaufen zu sein.

    Gegen Morgen endlich fand er tiefen Schlaf und

Weitere Kostenlose Bücher