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Balla Balla

Balla Balla

Titel: Balla Balla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Milchgesichter mit Oberlippenflaum. Schließlich blieb er am Torwart hängen.
    »Wenny?«
    Der Mann an der Tür nickte und strahlte gleichzeitig. Der schöne Werner, genannt Wenny, Torwart beim VfR Aalen in der Jugend, später beim VfB Stuttgart, auch in der Jugend. Dann hatte er ihn aus den Augen verloren.
    »Was machst du denn hier?«, platzten sie jetzt beide gleichzeitig heraus.
    »Ich besuche Jo«, erklärte Wenny und zeigte auf das Bett von Jo Hillebrand. Der hat sich kaum verändert, dachte Plotek, älter ist er geworden, ja, aber sonst? Ein paar Falten, das schon, aber darüber hinaus sieht er aus wie früher, kein Bauch, alles noch straff, braun gebrannt, gepflegt und kein einziges graues Haar.
    »Gefärbt«, sagte Wenny, als hätte er Ploteks Gedanken gelesen. »Du hast dich ganz schön verändert. Hätte dich fast nicht mehr erkannt.«
    Ja, dachte Plotek, ich bin fett geworden, grau und ungepflegt.
    »Mensch, wie kommst du denn hierher?«, fragte Wenny noch einmal.
    Plotek zuckte die Schultern, Wenny stürmte auf ihn zu und umarmte ihn. Was Plotek gar nicht recht war. Erstens wegen dem Krankenhemdchen und dem nackten Arsch, der hinten heraussah, und zweitens wegen Wenny und seiner kalten Hand auf dem Rücken. Man muss wissen, dass Plotek Wenny seit über zwanzig Jahre weder gesprochen noch gesehen hatte. Und jetzt wurde der gleich so eng und intim, als wären sie ein Herz und eine Seele. Dabei waren sie früher auch nicht gerade Freunde. Plotek spielte vorne, Wenny hinten. Da läuft man sich auf dem Platz nicht so oft über den Weg. Sturm und Abwehr sind zwei Welten, zwei Philosophien. Die einen wollen Tore schießen, die anderen wollen es verhindern. Das passt nicht besonders gut zusammen. Und wenn man ehrlich ist, wollen sie auch gar nicht so viel miteinander zu tun haben. Natürlich wird immer die Einheit der Mannschaft beschworen, elf Freunde müsst ihr sein und so ein Quatsch, einer für alle, alle für einen – aber vergiss es. Das ist Theorie. In die Praxis umgesetzt heißt das, jeder für sich und der Germanenpräsi gegen alle. Aber Plotek hatte generell so seine Probleme mit körperlichem Kontakt. Schon damals, beim Fußball. Er konnte es nie ausstehen, wenn die Abwehrspieler glaubten, ihn immer ganz eng decken zu müssen. Oder wenn beim Torjubel die Mitspieler herzten. Und heute war das nicht anders. Auch ohne Gegner und Mitspieler. Eigentlich war es noch viel schlimmer. Plotek ließ kaum jemanden an sich heran. Manchmal Frauen, Männer überhaupt nicht. Ob das was mit der Erziehung, mit der Kindheit, Pfarrer Thanwälder oder der Psyche und allem zu tun hatte? Hm, wenn man das wüsste. Würde auch nichts ändern. Na ja, ab und an kam ihm Agnes etwas näher. Aber ansonsten liebte er die Distanz. Als ob auch Wenny jetzt dieselben Gedanken durch den Kopf geflankt wären, ließ er Plotek wieder los. Der Grund dafür allerdings war der tote Hillebrand im Bett.
    »Jo?«
    Wenny zog das Plumeau vom Bett, erstarrte und glotzte wie hypnotisiert auf den toten Superstürmer. Plotek glotzte auch, obwohl er den Anblick ja schon kannte.
    »Was ist denn mit dem?«, stammelte Wenny.
    »Tot«, sagte Plotek ganz leise, um den Toten nicht zu stören. Totenruhe quasi, Pietät und alles.
    »Was?«, stotterte Wenny noch immer ganz benommen. »Aber, warum denn, wie denn, was denn ...«
    »Keine Ahnung, hab’ es auch gerade erst bemerkt.«
    »Scheiße.«
    »Ziemlich.«
    »Ich hol die Schwester.«
    »Ja.«
    Und schon verschwand Wenny wieder und Plotek blieb allein mit dem toten Jo Hillebrand zurück. Totenwache eben. Jetzt erst fiel ihm an Jos eingegipstem Bein ein roter Kussmund auf. Ob der gestern auch schon da war? Keine Ahnung. Ansonsten fiel ihm nichts auf. Doch, der Power-Drink war vom Nachtkästchen verschwunden, die Tüte mit den rosafarbenen Himbeerbonbons war noch da.
    Es dauerte nicht lange, da kam Wenny zurück. Und mit ihm nicht nur die Schwester, sondern auch zwei Pfleger und der Stationsarzt, der dann nicht nur den Tod, sondern auch die Todesursache und die ungefähre Todeszeit feststellte. Schließlich kam auch noch die Kriminalpolizei und, als die fertig war, der Bestatter. Und die Presse. Es handelte sich eben nicht um irgendeinen Toten, der hier das Zeitliche gesegnet hatte, sondern um die Angriffshoffnung im deutschen Fußball. Die jetzt tot war. Da war natürlich auch ein öffentliches Interesse angesagt. Im Krankenhaus machte sich eine Stimmung breit wie auf dem Platz oder in der Umkleidekabine

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