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Balla Balla

Balla Balla

Titel: Balla Balla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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durch den Kopf. Auch wenn das viel weniger sind als im Straßenverkehr. Wenn ich dabei bin, dachte Plotek, spielt das aber keine Rolle. Wobei Plotek im Prinzip gar nicht so sehr Angst vor dem Tod hatte. Eher davor, in so einem technologischen Ungeheuer weit über der Erde zu sterben. Wäre er im Froh und Munter nach sechs Weißbier tot vom Barhocker gekippt – sei’s drum. Das wäre ein schöner Tod, dachte Plotek, der schönste vielleicht überhaupt. Aber hier, eingequetscht inmitten dieser fremden Menschen den Löffel abgeben – nein, danke. Das wäre nach einem verpfuschten Leben auch noch ein verpfuschter Tod. Wer wollte das schon. Plotek nicht.
    Dann lieber gar nicht sterben, dachte er, oder besser, auf die jetzige Situation übertragen, lieber gar nicht fliegen.
    »Ich will hier raus«, stöhnte Plotek, den Gurt schon um den Bauch.
    »Spinnst du?!«, sagte Agnes, »das geht jetzt nicht, wir rollen schon.«
    »Nein, bitte nicht.«
    »O doch!«
    »Kann ich Ihnen was zu trinken bringen?«
    Die Stewardess stand wie herbeigewunken neben Plotek und zeigte ihre großen weißen Zähne, als wollte sie sagen: Damit Sie auch morgen noch kraftvoll zubeißen können.
    »Einen dreifachen Cognac für den Herrn«, sagte Agnes und zeigte auf Plotek, »aber schnell!«
    Wieder schien die Stewardess ein wenig pikiert zu sein ob der forschen Ausdrucksweise von Agnes.
    »Oder wollen Sie, dass der junge Mann kollabiert?«
    Das konnte nicht in ihrem Interesse sein. Also packte sie ihre großen weißen Zähne wieder ein, rannte los und stand Sekunden später mit einem Plastikbecher bis zur Hälfte gefüllt neben Plotek.
    »Danke!«
    »Da, trink!«
    Agnes führte Plotek den Becher zum Mund und der trank ihn, ohne abzusetzen, in einem Zug aus.
    »Besser?«
    Plotek schüttelte den Kopf.
    »Noch einen!«
    »Aber wir heben gleich ab.«
    »Bitte nicht!«, stöhnte Plotek.
    Zu spät. Der Flieger erhob sich von der Startbahn und stieg in die Lüfte.
    Plotek wurde in den Sitz gedrückt. Er schloss die Augen und sah sich sterben. Und während Plotek so vor sich hin starb, tauchten in Gedanken und vor seinem inneren Auge all diejenigen auf, denen er schon zu Lebtag aus dem Weg gegangen war: Vater, Mutter, Bruder, Schwägerin, Oma, Opa, Cousine, Cousin – ganz Lauterbach und die halbe Ostalb patrouillierten jetzt im Schnelldurchlauf an ihm vorbei. Das hörte man ja immer wieder, dass im letzten Augenblick das ganze Leben noch einmal im Zeitraffer abgespult wird. Mit dem Finger auf der Rückspultaste quasi die ganze Scheiße noch mal, dachte Plotek jetzt und blickte mit geschlossenen Augen dem Tod entgegen, während er sich selbst als Kind in kurzen Hosen, mit Seitenscheitel und Pausbacken in der Sakristei heimlich den Messwein austrinken sah, während im Hintergrund Pfarrer Thanwälder hinter dem Holzgitter vom Beichtstuhl auftauchte und mit glänzendem Gesicht und glasigen Augen fragte, ob er auch schon alle Sünden gebeichtet hätte. Was für Sünden, dachte Plotek noch immer als Kind in der Sakristei und gleichzeitig sterbend als Plotek im Lufthansa-Sitz. Der Pfarrer setzte nach: »Warst du unkeusch im Denken, Reden und Tun?« Wer nicht, wollte Plotek antworten und sah sich plötzlich vom dicken Thanwälder an die Sakristeiwand gedrückt, roch den sakralen Mundgeruch, sodass er drohte, ohnmächtig zu werden, bis er einen energischen Griff in seinem Schritt spürte. Du schwule Sau, dachte Plotek noch und stöhnte: »Nein, bitte nicht!« Dann hörte er den Thanwälder: »Mit wem?«
    Plotek war mit jeder Faser seines Körpers in seine Kindheit zurückgekehrt. Sofort fiel ihm die Stangelhuber Rosi ein. Mit zunehmendem Druck zwischen den Beinen ließ er seinen Erinnerungen freien Lauf, bis schließlich das ganze längst vergangene Leben wieder da war. Scheiße!
    Die Stangelhuber Rosi, auch Herta nach einer landesweit bekannten Wurstfabrik genannt, roch ständig nach grober hausgemachter ostalbschwäbischer Leberwurst. Der Grund: Immerzu vertilgte sie Leberwurstbrote, bei denen der Leberwurstaufstrich dicker war als die Brotscheibe. Zweimal so dick. Nicht so schlimm, könnte man denken. Aber falsch gedacht. Es war schlimm. Einerseits für die Rosi – die Stangelhuber Rosi sah nämlich mittlerweile selbst aus wie eine Leberwurst, wie eine Leberwurst im Darm. Andererseits für all diejenigen, für die hausgemachte Leberwurst nicht gerade zu den Delikatessen zählte. Wie auch für Plotek. Plotek hasste jegliche Form von Leberwurst, ob nun

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