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Ballard, James G.

Ballard, James G.

Titel: Ballard, James G. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Welt in Flammen
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Als Philip in der Kombüse
verschwand, sagte der alte Neger: »Doktor Ransom, kann ich einen Augenblick mit
Ihnen allein sprechen?«
    Nachdem Catherine die Kabine
verlassen hatte, sah der Alte mit blicklosen Augen zu Ransom auf. »Die Reise
ist bestimmt lang, Doktor – für Sie vielleicht länger als für mich. Im Grunde
genommen beginnt sie nämlich erst richtig, sobald wir die Küste erreicht
haben.«
    »Das glaube ich auch«, stimmte Ransom
zu. »Wahrscheinlich ist bis dorthin alles einigermaßen klar.«
    »Natürlich.« Der Neger lächelte
schwach und senkte den Kopf, als wolle er zu Boden starren. »Ich werde eine
große Last für Sie sein, Doktor; ich würde lieber hier zurückbleiben, als
später am Straßenrand ausgesetzt zu werden. Darf ich Sie bitten, ganz ehrlich
mit sich selbst zu sein?«
    Ransom stand auf. Durch die offene
Kabinentür sah er Catherine Austen an der Reling stehen. Ihre roten Haare
bewegten sich in der leichten Brise. Die Frage des alten Negers irritierte ihn
irgendwie. Zum Teil ärgerte er sich darüber, jahrelang ausgenützt worden zu
sein, aber noch unerfreulicher war die offenbare Überzeugung des alten Mannes,
Ransom habe noch immer einfach die Wahl, ihm entweder zu helfen oder ihn hier
allein zurückzulassen. Nach den Ereignissen der vergangenen Tage hatte Ransom
bereits das Gefühl, in dieser neuen Landschaft, die um ihn herum entstand,
seien humanitäre Beweggründe immer wirklichkeitsfremder.
    »Doktor?«
    »Mister Jordan, ich wage es nicht,
ehrlich mit mir selbst zu sein. Heutzutage sind die meisten bekannten Motive zu
verdächtig, daß ich erst recht an den verborgenen zweifle. Trotzdem werde ich
mir alle Mühe geben, Sie an die Küste zu schaffen.«
     
    Kurz vor Sonnenuntergang begann ihre
Rückfahrt flußabwärts. Ransom und Philip Jordan standen am Bug und Heck des
Bootes und stakten es voran, während Catherine Austen und der alte Mann
mittschiffs unter einem improvisierten Sonnensegel saßen.
    An allen Seiten erstreckte sich der
ausgetrocknete weiße Seeboden von einem Horizont zum anderen. Als sie einen
Kilometer vor der Stadt in den Hauptkanal abbogen, hörten sie in der heißen
Nachmittagssonne den schrillen Heulton einer Sirene. Philip Jordan wies
zweihundert Meter nach Steuerbord, wo Captain Tullochs Flußdampfer in einem
seichten Tümpel festsaß. Wimpel flatterten und weiße Sonnensegel bewegten sich
leicht über glänzend polierten Sitzen, während der Dampfer mit äußerster Kraft
voraus seinen langen Bug immer tiefer in eine riesige Sandbank bohrte. Die
Schiffsschrauben drehten sich unermüdlich und wirbelten das schwarze Wasser zu
dichtem Schaum auf. Da seine Mannschaft desertiert war, stand Captain Tulloch
selbst am Steuer und ließ immer wieder die Sirene heulen, während der
Schiffsbug gegen die Düne stieß.
    Philip sah Ransom fragend an, der
aber den Kopf schüttelte. Sie fuhren weiter, und der Sirenenton verlor sich
hinter ihnen in der flimmernden Hitze.
    Als die Abenddämmerung herabsank,
erreichten sie Larchmont und legten hinter dem Rumpf eines alten
Schwimmbaggers, der am Ende des Sees lag, die erste längere Pause ein. Der alte
Neger schlief unterdessen bereits friedlich, saß aber weiterhin aufrecht und
lehnte nur den Kopf gegen einen Metallpfosten des improvisierten Sonnensegels.
Neben ihm stützte Catherine Austen die Ellbogen auf einen Wasserkanister und
legte ihr Kinn in die offenen Handflächen.
    Während es über dem Fluß langsam
dunkel wurde, kletterte Ransom auf die Brücke des Schwimmbaggers, wo Philip
Jordan zu der weit entfernten Stadt hinüberstarrte. Dort stiegen riesige
Flammensäulen auf und erzeugten schwarze Rauchwolken, die den roten Schein der
Flächenbrände zurückwarfen.
    »Irgend jemand will offenbar ganz
Mount Royal niederbrennen«, stellte Ransom fest. »Das kann nur Lomax sein.« Im
Feuerschein beobachtete er Philips Gesicht und hatte wieder das Gefühl, Jonas'
markantes Profil neben sich zu sehen. Er wandte sich den Feuern zu und zählte
sie.
    Eine Stunde später gingen sie
nebeneinander das ausgetrocknete Flußbett entlang, über das der Gluthauch der
zahlreichen Feuer am Ufer wie ein heißer Wüstenwind hinwegblies. Der gesamte
Horizont stand in Flammen, denn in den Außenbezirken der Stadt wüteten
unvorstellbare Großfeuer. Larchmont brannte am Fluß, und das Feuer hatte auch
die Bootshäuser erfaßt. Hoch über ihren Köpfen segelten Myriaden von glühenden
Holzstückchen wie Glühwürmer vorbei und blieben auf den

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