Ballard, James G.
bekommen, was wir am Strand zu tun haben ...« Er stand auf, als der
andere nur schweigend den Kopf schüttelte. »Was haben Sie in Zukunft vor?«
Der Mann erwiderte seinen Blick
ruhig. »Wir bleiben hier und warten.« Er wies mit dem Daumen auf das riesige
Lager hinter sich. »Das kann nicht ewig dauern. Die meisten Leute haben nur
noch für einen oder zwei Tag Wasser. Früher oder später muß der große
Durchbruch kommen. Ich nehme an, daß die Massen sich rasch verringern werden,
je näher sie ans Wasser kommen. Und dann bleibt für Ethel und mich noch mehr
als genug.«
Seine Frau nickte zustimmend und
trank langsam ihren Tee aus.
Sie fuhren wieder die Küstenstraße
entlang. Als die Hügel allmählich zurückwichen, beschrieb auch die Straße einen
weiten Bogen und führte schließlich fast genau landeinwärts. Dann erreichten sie
das breite Flußdelta. Die trichterförmige Flußmündung war früher von
weitläufigen Sümpfen und Sandbänken umgeben gewesen, und das flache Gelände
wirkte noch jetzt feucht, obwohl die heiße Sonne nur über vertrocknetem Seegras
und welkem Schilf strahlte. Hunderte von Fahrzeugen, die zwischen den Dünen
geparkt standen, waren bis zu den Achsen in den weichen Sand eingesunken, so
daß ihre Dächer in verschiedenen Richtungen geneigt waren. Ransom hielt am
Straßenrand und sah zum Flußbett hinüber, dessen vertrauter Anblick ihm für
kurze Zeit das Gefühl einer trügerischen Sicherheit vermittelte. Dreihundert
Meter von ihnen entfernt standen die dicken Pfosten des äußeren Drahtzauns, der
mit Spanischen Reitern und S-Rollen verstärkt worden war. Ein schmaler Sandstreifen
trennte dieses Hindernis von dem inneren Zaun. Vier- oder fünfhundert Meter
dahinter war ein schmaler Strandabschnitt sichtbar, wo die Wellen sich
schäumend am Sand brachen. Auf beiden Seiten des ausgetrockneten Kanals wurden
Dutzende von Hütten errichtet, und Männer mit nacktem Oberkörper arbeiteten
rasch in der brennenden Sonne. Ihre Energie und die Tatsache, daß dicht hinter
ihnen das Wasser begann, stand in einem seltsamen Gegensatz zu der stummen
Trägheit der Massen, die auf der anderen Seite des Stacheldrahts saßen und zu
den Arbeitenden hinübersahen.
Ransom stieg aus dem Wagen. »Wir
versuchen es hier. Zum Strand ist es zwar etwas weiter, aber dafür sind hier
weniger Leute. Vielleicht haben sie aus irgendeinem Grund eine Abneigung gegen
den Fluß.«
»Was wird aus dem Auto?« fragte
Philip.
»Wir lassen es einfach hier stehen.
Die Leute vor uns haben alles mögliche mitgeschleppt und bleiben bestimmt bei
ihren Fahrzeugen, nachdem sie jetzt im Sand festsitzen.« Er wartete darauf, daß
die anderen ebenfalls aussteigen würden. Sie blieben jedoch sitzen und schienen
sich nicht entschließen zu können. »Kommen Sie, Catherine. Mrs. Quilter, Sie
schlafen heute nacht auf den Dünen.«
»Davon bin ich noch nicht ganz
überzeugt, Doktor.« Mrs. Quilter kletterte langsam aus dem Wagen.
»Was ist mit Ihnen, Mister Jordan?«
fragte Ransom.
»Selbstverständlich, Doktor.« Der
alte Neger saß noch immer aufrecht. »Setzen Sie mich einfach in den Sand.«
»Wir sind nicht am Sand.« Ransom
beherrschte seine Ungeduld und sagte: »Philip, vielleicht kann Mister Jordan im
Auto warten. Sobald wir eine Art Brückenkopf am Zaun errichtet haben, kommen
wir zurück und holen ihn.«
»Nein, Doktor.« Philip beobachtete
Ransom aufmerksam. »Wenn wir ihn nicht auf der Tragbahre transportieren können,
trage ich ihn selbst.« Bevor Ransom etwas einwenden konnte, bückte er sich und
hob den alten Neger aus dem Wagen. Seine starken Arme trugen ihn wie ein Kind.
Ransom ging voraus, dann kamen
Catherine und Mrs. Quilter, die langsam weiterhumpelte und dabei die Leute
anstarrte die neben ihren Autos und Wohnwagen hockten. Philip Jordan stolperte
fünfzig Meter hinter ihnen her und trug den alten Neger auf den Armen. Schon
nach kurzer Zeit verloren sie die Straße aus den Augen, während der Gestank des
riesigen Lagers ihre Lungen füllte. Unzählige Trampelpfade wanden sich zwischen
den Fahrzeugen hindurch und führten über grasbewachsene Dünen. Als die Kinder
sahen, daß Ransom einen Wasserkanister unter der Jacke trug, bettelten sie mit
leeren Bechern in der Hand um einen Schluck Wasser. Unrasierte Männer in vor
Staub grauer Kleidung standen in kleinen Gruppen beisammen und diskutierten
lautstark, wobei sie immer wieder auf den Stacheldrahtzaun zeigten, der sie vom
Wasser trennte. Je näher sie
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