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Ballard, James G.

Ballard, James G.

Titel: Ballard, James G. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Welt in Flammen
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Senke.
    Obwohl er dabei etwas Wasser gewann,
hatte der Tümpel sich um mehr als ein Drittel verringert, als er endlich das
Leuchtschiff erreichte. Ransom trieb ihn auf das kleine Becken an der
Steuerbordbrücke des Schiffs zu. Diesen schmalen Tank – zwanzig Meter lang und
zehn Meter breit – hatte er im Lauf der Jahre immer weiter verbessert, indem er
die Wände mit Steinen und Metallteilen verkleidete, die er am Ufer gesammelt
hatte, und das Salz zwischen ihnen jeden Tag festklopfte. Das Wasser stand kaum
zehn Zentimeter hoch, und an einem Ende des Beckens schwammen einige
Seeanemonen und etwas eßbarer Tang – Ransoms einziges Gemüse. Er hatte schon
oft versucht, in diesem Becken Fische zu züchten, aber das Wasser war so
salzhaltig, daß alle Fische schon nach wenigen Stunden verendeten. In den
Reservoirs der Siedlungen, wo das Wasser weniger salzig war, lebten die
gefangenen Fische noch monatelang. Ransom mußte fast jeden Morgen in aller
Frühe aufbrechen, um Wasser und Fische zu stehlen, wenn er nicht an fünf von
sechs Tagen mit getrocknetem Tang zufrieden war.
    Er beobachtete den Tümpel, der wie
eine müde Schlange ins Becken glitt, und bearbeitete dann die nasse Einfassung
mit seinem Paddel, um das letzte Wasser aus dem Salz zu drücken. Die wenigen
Fische schwammen langsam ans andere Ende und knabberten an dem Tang. Ransom
zählte sie nochmals und ging dann langsam an dem alten Kesselrohr entlang, das
vom Becken zu der Destillationsanlage führte, die neben seiner Hütte stand. Er
öffnete die Tür, horchte auf das vertraute Brodeln und stellte verärgert fest,
daß die Flamme unter dem Wasserbehälter nicht hoch genug brannte. Diese
Brennstoffverschwendung machte ihn fast krank vor Wut, denn jeder
Kubikzentimeter mußte unter immer größeren Schwierigkeiten aus den Fahrzeugen
geholt werden, die am Strand begraben lagen. Neben der Tür stand ein
Benzinkanister. Ransom füllte den Tank auf und stellte die Flamme höher,
achtete aber trotz seiner begreiflichen Erregung sorgfältig darauf, daß der
Wasserbehälter nicht etwa überhitzt wurde. Da nur dieser gefährliche und
unberechenbare Brennstoff zur Verfügung stand, waren im Lauf der Jahre
unzählige Destillationsanlagen explodiert und hatten ihre Besitzer verstümmelt
oder getötet.
    Ransom untersuchte den Wasserbehälter
auf Lecks und hob dann den Deckel ab. Das flache Gefäß enthielt drei Zentimeter
Wasser. Er schüttete es vorsichtig in eine alte Whiskyflasche ab und hob den
Trichter an die Lippen, um die letzten Tropfen aufzufangen.
    Er ging zu der Hütte hinüber,
betastete dabei wieder seine geschwollene Backe und überlegte sich, daß die
Wunde auch unter dem Bart sichtbar sein mußte. Über ihm schien die Sonne auf
die gewölbten Heckplatten des gestrandeten Leuchtschiffs und ließ die gläsernen
Bullaugen aufleuchten, die Ransom an die Augen toter Fische erinnerten.
Tatsächlich war dieser hilflose Leviathan, der weit außerhalb des Meeres in
dieser Konzentration seines zerstörendsten Elements begraben lag, in den
vergangenen zehn Jahren wie ein riesiger Wal verrottet. Ransom wagte sich
gelegentlich auf der Suche nach Rohren oder Ventilen ins Innere, aber der
Maschinenraum und die Eisenstege waren zu grotesken hängenden Gärten verrostet.
    Unter dem Heck, wo das massive
Ruderblatt sie vor dem meistens herrschenden Ostwind schützte, stand Ransoms
Hütte. Er hatte sie aus rostigen Autokarosserien gebaut, die er mühsam zerlegt
und bruchstückweise hierher geschafft hatte.
    Der Innenraum, dessen Fußboden aus
hölzernen Decksplanken bestand, wurde durch eine einzige Fischöllampe erhellt,
als Ransom ihn betrat. Die Lampe hing an einer dünnen Kette und schwang
gleichmäßig langsam in dem kalten Luftzug, der durch die Ritzen zwischen den
Metallwänden drang.
    Ein kleiner Benzinofen, dessen
behelfsmäßiges Rohr durch die Decke ins Freie führte, brannte in der Mitte des
Raums. Zwei Eisenbetten und ein niedriger Tisch vervollständigten die
Einrichtung. Auf einem der Betten lag Judith Ransom mit einer geflickten Decke
über den Knien. Als sie zu Ransom aufsah, warf ihre seltsam deformierte Schläfe
einen unregelmäßigen Schatten über die eine verbrannte Gesichtshälfte. Seit
ihrem Unfall machte sie keinen Versuch mehr, die nach innen gewölbte Schläfe zu
verbergen, sondern trug ihre ergrauten Haare in einem Knoten am Nacken.
    »Du kommst spät«, sagte sie. »Hast du
etwas erwischt?«
    Ransom setzte sich auf die Bettkante
und zog

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