Ballard, James G.
wir uns hier nicht mehr lange halten können.«
»Das ist Unsinn. Bisher haben wir es
auch geschafft.«
»Aber, Judith, wir leben wie Tiere.
Das Salz bewegt sich weiter, so daß die Küstenlinie sich jeden Tag ein paar
Meter seewärts schiebt.«
»Dann suchen wir uns eben einen
anderen Platz am Strand. Wenn wir wollen, können wir hundert Kilometer
marschieren.«
»Jetzt nicht mehr. Dazu gibt es schon
zu viele Fehden. Überall an der Küste liegen kleine Siedlungen, die
eifersüchtig ihren Strandabschnitt bewachen und vor jedem Fremden Angst haben.«
Er runzelte nachdenklich die Stirn. »Ich habe fast das Gefühl, Grady wollte mich
warnen.«
»Was soll das heißen?«
»Wenn er in die Siedlung zieht,
gehört er zu Jordans Team. Dann führt er es bestimmt geradewegs hierher.
Irgendwie wollte er mir zu verstehen geben, wie sehr er sich über diese
Gelegenheit freut, endlich an mir Rache nehmen zu können.«
»Weil du seinen Vater erschossen
hast? Aber das ist doch schon ewig lange her. Außerdem war es nur ein
bedauerlicher Unfall, der jedem hätte zustoßen können.«
»Du irrst dich. Je mehr ich darüber
nachdenke, desto überzeugter bin ich davon, daß es ein kaltblütig
durchgeführtes Experiment war, das mir beweisen sollte, wie gleichgültig mir
alle anderen bereits geworden waren.« Er zuckte mit den Schultern. »Wenn wir
selbst in die Siedlung ziehen wollen, müssen wir uns um Aufnahme bemühen, bevor
Grady dort ist.«
Judith schüttelte langsam den Kopf.
»Charles, wenn du dorthin gehst, bist du erledigt. Das weißt du selbst.«
Eine Stunde später, als Judith wieder
fest eingeschlafen war verließ Ransom die Hütte und ging in den kalten Morgen
hinaus. Die Sonne stand jetzt höher, aber die Dünen blieben trotzdem grau und
leblos. Er wartete fünf Minuten, um ganz sicherzugehen, daß Judith wirklich
schlief, nahm dann sein Paddel auf und schaufelte das Wasser aus dem Tank neben
dem Schiff. Dadurch entstand ein Tümpel mit etwa sieben Meter Durchmesser, der
nur unwesentlich größer als der andere war, den Ransom morgens nach Hause
gebracht hatte.
Ransom trieb das Wasser vor sich her
durch die Dünen und nützte dabei das leichte Gefälle aus, das nach Osten
führte. Während er rasch voranschritt, beobachtete er aufmerksam seine
Umgebung. Niemand würde ihm diesen kleinen Tümpel stehlen wollen, aber sein
Aufbruch konnte einen hungrigen Einzelgänger dazu verführen, in die Hütte
einzubrechen. Hier und dort sah er Fußspuren im Salz, aber sonst erstreckten
sich die niedrigen Dünen so eintönig und gleichmäßig wie immer. Mehrere hundert
Meter von ihm entfernt saßen einige Möwen auf einer feuchten Salzbank, aber bis
auf den Tümpel, der vor seinen Füßen entlangschäumte, bewegte sich nichts am
Strand oder in der Luft.
9
Ein zerfallenes Förderband erstreckte
sich wie eine riesige Schlange über die Dünen und verschwand wieder im Salz,
ohne das weit entfernte Meer erreicht zu haben. Ransom änderte seine bisherige
Marschrichtung und bog vorher nach Osten ab, wo die Dünen in eine weniger
zerklüftete Ebene übergingen. Er bewegte sich rascher voran und nützte lange
Gefällstrecken aus, über die das Wasser von selbst in die gewünschte Richtung
floß. Dieser Kurswechsel hatte außerdem den Vorteil, daß sein Ausgangspunkt
nicht mehr erkennbar war. Als er einige hundert Meter weiter ein zweites
Förderband passierte, sah er über sich einen Wachtposten stehen, der seinen
Speer schliff. Ransom hielt sich nicht auf, sondern trieb sein Wasser weiter.
Vor ihm stiegen mehrere gestrandete
Frachter, die halbkreisförmig beieinander lagen, aus der Sandwüste auf. Um sie
herum standen wanzige Hütten und verschiedene andere Anbauten. Einig bestanden
wie Ransoms kümmerliche Behausung aus Karosserieteilen, aber andere waren aus
Holz gebaut, hatten Fenster und Türen und waren zudem durch Eisenstege
verbunden. Blaugrauer Rauch drang aus den Schornsteinen und vermittelte den
Eindruck behaglicher Wärme und emsiger Geschäftigkeit. Eine Batterie von zehn
Destillationstürmen zwischen den Wracks stieß riesige Dampfwolken aus, die der
kalte Wind rasch zerstreute und davontrieb.
Die Siedlung war von einem doppelten
Stacheldrahtzaun umgeben. Als Ransom sich dem Tor näherte, sah er die großen
Wasserspeicher und Fischbecken, die jeweils über sechzig Meter lang waren. In
einem der Reservoirs arbeiteten schweigend zehn oder zwölf Männer und wurden
dabei von einem Aufseher beobachtet, der
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