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Ballast oder Eva lernt fliegen

Ballast oder Eva lernt fliegen

Titel: Ballast oder Eva lernt fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mona Jeuk
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Nein, ich ertrag das nicht. Es hat keine Bedeutung. Nur schnell die eine letzte Mail, das bin ich Christian schuldig. Dann nichts mehr.

    >>Lieber Christian,
    ich werde so nicht mehr erreichbar sein. Ich habe meinen eigenen Weg gefunden. In meinem Leben ist kein Platz mehr für Computer und Telefon. In der absoluten Unabhängigkeit liegt der Schlüssel zur inneren Freiheit. Wenn Du mir etwas mitteilen möchtest, kannst Du dies per Post tun.
    Ich wünsche Dir alles Gute
    Eva<<

    Eva: Warum kann ich nicht mehr Mama schreiben, wie ich es immer getan habe? Meine Finger wollen es nicht. Ich will es nicht. Die Mama ist abgeworfen, sie wiegt zu schwer.
    Senden – nein, noch nicht. Erst ins Adressfeld die anderen setzen. Dann wissen alle Bescheid und ich kann hier endlich raus.
    Runterfahren? Stecker raus und fertig. Und aus der Tür und abschließen, atemlos, und: frei!
    * * * * Lachen * * * * Von ganz unten, tief, immer mehr, immer lauter: * * * * *LACHEN! ***** L A C H E N! Die Beine geben nach, mein Bauch schmerzt, immer weiter: ********! Ich bin frei! Das Lachen füllt meine Brust, dehnt sich aus, nimmt mir den Atem – versiegt.
    Dies leichte Schwindelgefühl, es fühlt sich so witzigleicht an, wie früher. Ich war jung damals und frei, und so unsagbar verliebt. Glücksrausch. Ich bin verliebt in meine Freiheit.
    Der Ballast meines Lebens, er steckt hinter der Tür, an der ich lehne. Er kann nicht mehr heraus. Das ist so witzigkomisch, ich möchte am liebsten gleich losfliegen.
    Ich will sie sehen, meine Wohnung, mein befreites Reich. Was ist geblieben? Ein Paar Schuhe. Daneben, auf dem Boden, ein Mantel und der Schlüsselbund. Verschwunden: Garderobe, Spiegel, Lampen. Kabelschlangen hängen von der Decke, strecken die dünnen Zungen heraus.
    Die Matratze mit dem Bettzeug. Ich habe doch die Yogamatte, warum ist die Matratze noch da? – ? Nein, ich bin müde, es ist genug für heute. Nur eine Matratze, sie wird mich nicht aufhalten. Auch der kleine Kleiderhaufen nicht. Lampen und Vorhänge sind fort.
    Paketklebeband zerteilt die Küchenschränke in Rechtecke. Alle Ritzen sind verschlossen, da kriecht keine Ameise mehr durch. Erst recht keine Schlange. Gespaltene Zunge: Deine Wahrheit war keine. Solange du dir meiner sicher warst, ja, aber die eigentliche, die nackte Wahrheit, die lag hinter deinem lächelnden Gesicht verborgen. Erst jetzt kenne ich dich.
    Das hinter den abgeklebten Türen gehört nicht mehr zu mir. Was ich brauche liegt neben dem Spülbecken: Wenig, man braucht fast nichts, wenn man sich von Rohkost und gekauftem Brot ernähren will. Was bleibt, wiegt leicht.
    Nur der Kühlschrank lässt sich noch öffnen, aber brauche ich ihn wirklich? Gemüse für zwei, drei Tage hält sich auch ohne ihn. Also abstellen. Milch und Butter sind nicht wichtig. Ab in die Mülltüte damit – die Mülltüten, sie sind im zugeklebten Schrank. Soll ich...? Nein, ich brauche sie nicht, ich habe den Eimer, das ist genug. Alles rein, nur die Gurke und die zwei Möhren, die dürfen bleiben für später.
    Der Eimer ist voll, ich muss ihn nach unten tragen, aber erst: Das Wohnzimmer ansehen.
    Teppich, Vorhänge, Pflanzen: verschwunden. Die Liege: Ist im anderen Raum kein Platz für sie? Muss sie nicht auch verschwinden? Nein, sie betont so schön die Leere durch ihr einsames Vorhandensein. Ich stelle sie genau in die Mitte, so, und später will ich mich auf ihr ausruhen.
    Doch erst muss der Ballast noch weg. Der Abfalleimer quillt über davon.
    Den Wohnungsschlüssel noch, wie gerne würde ich auch ihn – halt: Etwas ist in meiner Rocktasche. Kalt, hart. Schwer wiegen sie in meiner Hand: Der Schlüssel vom anderen Raum und der Kieselstein.
    Ballast. Mit hartem Ton treffen sie auf die Milchflasche. Rutschen durch die anderen Gewichte, ganz nach unten. Gefährlicher Ballast, der so nach unten zerren kann. Jetzt ist er machtlos.

    Wieder oben: Das Telefon im anderen Raum! Ich habe es nicht ausgesteckt! Es klingelt und klingelt, hohe künstliche Töne. – – – Es wird aufhören. – – – –
    Es hat aufgehört.
    Jetzt kann ich mich ausruhen – es klingelt wieder! Es klingelingelingelt vorwurfsvoll. Wie konnte ich das je ertragen?
    Ich werde nach draußen gehen. Ja. An die Luft.

    *

    Babygeschrei: Ich kenne dieses Stimmchen und ich laufe direkt darauf zu. Ja: Ariane wartet vor dem Haus. Weiß also schon Bescheid. Die Mail.
    Kleine Nora, du hast ja noch keine Ahnung. Komm her, ja, so ist es gut, und schon lachst du wieder.

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