Ballast oder Eva lernt fliegen
was?“
„Oder das hier: E. F. Schumacher, kennst du den? Hat schon in den Siebziger Jahren gefordert, hier, pass auf: Seine Forderung basiert auf der Auffassung, dass unsere gegenwärtige Gesellschaftsordnung uns krank mache und dass wir auf eine wirtschaftliche Katastrophe zusteuern, wenn wir unser Gesellschaftssystem nicht grundlegend umgestalten. “
„ Tja, hört sich fast wie eine Prophezeiung an.“ Bernd sah sie mit schräg gelegtem Kopf an. „Die Kritik am Kapitalismus ist so alt wie der Kapitalismus selbst. Es gibt immer Kritiker.“
„ Aber es springt einem doch ins Auge, wie Recht sie haben. Warum ändert sich also nichts?“
„ Natürlich haben sie Recht. Aber wo bleibt die Alternative? Kommunismus?“
Nein, natürlich nicht. Aber war es denn so schwer, das Leben zu ändern? Glaubte Bernd wirklich, dass es keine Alternative gab? Wie konnte er ihren Weg gutheißen, solange er an den Kapitalismus glaubte? Vielleicht nahm er sie einfach nicht ernst.
Sie scheinen nicht zu wissen, dass Habgier (ebenso wie Unterwerfung) die Menschen verdummt und sie unfähig macht, ihre eigenen wahren Interessen zu verfolgen, - -
„ Die Menschen haben mit Begeisterung auf mein Buch reagiert. Dabei steht nichts Neues darin. Dass Habgier uns einschränkt, Konsum uns vom wahren Sein abhält, das alles ist ein alter Hut. Also werde ich genauso wenig bewirken, wie andere vor mir.“
„ Ich würde nicht sagen, dass Fromm nichts bewirkt hat. Er hat unheimlich viele Menschen beeinflusst. Damals war Selbstfindung so richtig in. Sicher hat er auch geholfen, die Gesellschaft ein wenig menschlicher zu machen, aber mehr zu verlangen ist Utopie.“
„ Trotzdem: Warum versuchen nicht alle Menschen, sich selbst zu finden? Was ist mit dir? Du nimmst das alles doch gar nicht ernst!“
Bernd legte die Zeitung beiseite und kam zu ihr auf den Boden. „Ich nehme dich sehr ernst. Und am liebsten finde ich mich in dir.“
*
Fromm hatte auch die Lehren Buddhas gekannt. Natürlich, auch das war damals ja ‚in’ gewesen. Aber Suzuki – wer war Suzuki? Wahrscheinlich ging Basho eine Landstraße entlang, als er etwas bemerkte, was unscheinbar an der Hecke stand. Er näherte sich, sah genau hin und fand, dass es nichts als eine wilde Pflanze war, die recht unbedeutend ist und für gewöhnlich von Vorübergehenden nicht beachtet wird.
Würde Boskop die Pflanze als unbedeutend bezeichnen? Irgendeine Pflanze? Und würde Bernd sie überhaupt bemerken?
...
Mit ‚Sein’ meine ich eine Existenzweise, in der man nichts hat und zu haben begehrt, sondern voller Freude ist, seine Fähigkeiten produktiv nutzt und eins mit der Welt ist.
...
Die Liebe... ist eine grausame Göttin, welche, wie jede Gottheit, den ganzen Menschen besitzen will und nicht eher zufrieden ist, als bis er ihr nicht bloß seine Seele, sondern auch sein physisches Selbst dargebracht hat. Ihr Kultus ist das Leiden, der Gipfel dieses Kultus ist die Selbstaufopferung, der Selbstmord.
Selbstmord
Selbstaufopferung
Die Liebe... eine grausame Göttin
Ein Schatten, wo eben noch Sonne gewesen war. Der Himmel war plötzlich mit dunklen Wolken überzogen. Das Fenster öffnen: Die drückende Hitze war verschwunden. Kühler Wind fegte ins Zimmer, bauschte die Vorhänge. Nach draußen, Luft holen, das war jetzt das Richtige. Regenjacke und feste Schuhe, falls es regnen würde. Sollte es doch regnen, umso besser. Erlösung nach diesem schwülen Nachmittag.
*
Wind in den offenen Haaren: Herrlich. Luft, die sich bis tief in den Bauch atmen lässt. Erste, dicke Tropfen. Die Straßen: leergefegt. Die Felder: satte Herbstfarben, Altgold und Dunkelgrün vor violettem Himmel.
Grausame Göttin Liebe
Am Waldrand tanzen grüne Blätter im Wind, abgerissen vom Sturm. Plötzliche Helligkeit: ein Blitz, gefolgt von krachendem Donner.
Unter dem Blätterdach Abenddämmerung, um Stunden verfrüht.
Selbstaufopferung
Das Bächlein, noch unbeeindruckt vom Regen, schlängelt sich durch den Wald. Blätterrauschen übertönt alles andere.
Selbstmord
Der Weg schlängelt sich mit dem Bach, dem Bach entgegen, den Hügel hinauf. Oben, als die Bäume zurücktreten, zerreißt ein Blitz den dunklen Himmel, wirft sekundenlang sein Licht auf einen zerklüfteten Felsen.
Selbstfindung
Hinter dem Felsen etwas wie Morgendämmerung. Im Windschatten ist der Fels kalt, aber fast trocken. Natürliche Stufen, sie enden bald. Mit Händen und Füßen geht es weiter. Bald wird es leichter, die Steigung
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