Ballast oder Eva lernt fliegen
flacher. Oben ein Plateau, gerade groß genug: Wer in der Mitte steht, kann von unten nicht gesehen werden.
Der Sturm reißt an den Kleidern, dringt in die Lungen und den Kopf. Im Westen reißt der Himmel auf, lässt die Sonne hervorbrechen.
Selbstaufopferung
Selbstfindung
Ist Selbstfindung die Lösung? Ist sie nicht eher ein vom Egoismus diktiertes Sein-Müssen?
Die tief stehende Sonne blendet, zwingt die Augen, sich zu schließen. Im Rücken tobt das abziehende Gewitter. Donner, spürbar im Felsen unter den Füßen. Der Wind füllt die Brust bis zum Bersten und stemmt sich gegen die weit ausgebreiteten Hände.
Die Liebe... eine grausame Göttin
Die Liebe verleiht Flügel
Fliegen müsste man können. Dann wäre alles gut.
*
Lärm schwappt durch die sich öffnende Tür und bringt die kleine Nora zum Weinen. Schschsch... Ist ja gut. Da kommt deine Mama! Jetzt gibt’s leckere Mamamilch.
Ja, sie war ganz lieb. Und: Nein, es hat ihr überhaupt nichts ausgemacht. Die Kleine ist so ein Schatz!
Ab durch die Tür und eintauchen in fröhliches Hochzeits-Getöse. Nicht möglich: Sie spielen ABBA!
„ ... endlich befreit?“ Arme von hinten, Bernds Arme. Das fühlt sich gut an, aber es nützt nichts, wenn er ihr ins Ohr schreit. Es ist zu laut. Da hilft nur tanzen. Auf ABBA tanzen! Großer Gott, das macht tatsächlich immer noch Spaß.
„ Ich habe Durst!“ – ?? – Nochmal, lauter: „Durst!“ Dann zerrt sie ihn einfach mit. Am Büfett wird es leiser sein.
„ Gute Idee!“ Bernd, mit roten Wangen. Er fängt an, einen großen Teller zu beladen. Viel zu viel lädt er auf. Aber witzig sieht es aus.
„ Was willst du mit dem ganzen Zeug?“
„ Meine Süße vor dem Verhungern bewahren. Außerdem gehen wir zwei jetzt raus.“
Ja, es ist eine herrliche Nacht. Aber er will sie auch vor Ariane verstecken. Sie hat lange genug den Babysitter gespielt.
Seine Arme fühlen sich gut an. Seine Lippen noch besser.
Und eine Flasche Wein in der Jackentasche. Wie früher, nur dass die Jeansjacken das besser verkraftet haben als das teure Jackett. – Und Lachen! Sie kichert wie ein junges Ding.
Das Gras ist schon feucht. Ihr Kleid wird sie wegwerfen können, aber es liegt sich so gut in seinen Armen. Sterne, unzählige. – Da: Tatsächlich eine Sternschnuppe!
„ Eva?“
„ Ja?“
„ Heirate mich!“
*
Bäume schlagen über mir zusammen. Dunkelheit legt sich um mich. Hier bin ich in Sicherheit. Hier werden sie mich nicht finden.
Ein Vogel fliegt kreischend davon ins schwärzere Schwarz.
Vorsichtiges Tappen. Stolpern: Äste legen sich mir in den Weg und Gräben.
Mondlicht auf dem sich dahinwindenden Weg. Dahinwinden, schlängeln: Schlange! Du verlogener Kerl! Sprichst mit gespaltener Zunge!
Weg: Nur weg hier.
Keuchen: Es ist mein eigener Atem, er schmerzt, stoßweise. Und mein Puls sprengt meinen Schädel. Langsamer. Langsam! Ich brauche nicht mehr zu laufen.
Ein fremder Wald. In der Ferne höre ich Autos.
Warum nur? Warum jetzt? Eine Weggabelung, am Baum zwei kleine Schilder. Eben noch zu entziffern im Mondlicht: Rechts eins Komma fünf, links fünf. Wohin auch immer. Die grausame Göttin fordert also ihr Opfer ein. Geist und Körper, alles. Aber ich brauche dich nicht mehr. Links. Fünf Kilometer wohin auch immer.
Es ist kühl. Jacke und Handtasche sind noch dort. Ich stelle sie mir vor: einsam an einem Stuhl baumelnd, umbrandet von fröhlichem Lärm. Ich brauche sie nicht. Im Wald braucht man nicht viel.
Die ganze Nacht durchwandern, allein: Warum nicht?
Was werden sie jetzt tun? Bernd wird das ganze Fest verderben. Ob sie den Wald absuchen? Ariane sollte mich verstehen. Wenn er es ihr sagt, wird sie verstehen.
Er wird sich Sorgen machen. Ich habe gute Schuhe, mehr braucht es nicht, die nächste Ortschaft kann nicht weit sein.
Vielleicht ist sie zu nah, ich bin noch nicht bereit. Da drüben ist schon eine Straße. Einzelne Autos – dort ist Gefahr. Dort sind Menschen. Männer in Autos auf einsamen Straßen, die sich durch Wald und Felder schlängeln. Der Wald ist sicherer.
In der Ferne Lichter. Eine kleine Stadt – oder nur ein Dorf? Ich könnte die Polizeiwache suchen. Und dann? Kein Geld für ein Hotel und keine Schlüssel für meine Wohnung. – Also zurück zum Fest und die Sachen holen? Nein!
Warum auch: Die Richtung müsste stimmen. Da kommen Schilder. Ja, es ist die richtige Straße. Ich muss ihr nur folgen, sie bringt mich heim.
Wie viele Stunden mögen vergangen sein? Lange
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