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Ballaststoff

Ballaststoff

Titel: Ballaststoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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denkst immer, wir sind noch Babys!«, protestierte Judith und ließ sich neben ihren Vater auf die Gartenbank plumpsen. Auch Julia verdrehte die Augen und setzte sich in ihrem kurzen Kleidchen mit einer anmutigen Drehung an Georgs andere Seite.
    »Wir werden schließlich bald 14, Mami, und du kannst nicht ewig das Verbrechen von uns fernhalten«, konstatierte sie mit ernster Miene. Als Astrid und Martin lachen mussten und auch Georg ein Schmunzeln nicht unterdrücken konnte, schmiegte sie sich beleidigt an ihren Vater.
    »Stimmt doch, Papi, oder?«, fragte sie vertrauensvoll. »Das ist doch besser, wenn du uns davon erzählst, als nur darüber in der Zeitung zu lesen oder im Fernsehen so schlimme Sachen anzugucken.«
    »Das finde ich sehr vernünftig, was du sagst, Julia«, stimmte Georg seiner Tochter zu. »Aber heute ist vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt. Das machen wir ein anderes Mal, ja?«
    Die beiden Mädchen nickten. Zu entscheiden, was sie wissen durften oder mussten, war wirklich nicht leicht. Astrid schien sich da viel sicherer zu sein als er. Doch manchmal zweifelte Georg, ob ihr Weg, möglichst lange möglichst viel von den Kindern fernzuhalten, der richtige war. Wenn er die beiden so ansah – er musste wieder an die Blicke mancher Männer am Strand heute Morgen denken –, zumindest äußerlich fiel es langsam schwer, sie noch als Kinder zu betrachten.
    »Wie sieht’s aus, Martin, gibt’s bald Essen?«
    Wie Georg schon erwartet hatte, dienten Martins Speisekreationen in erster Linie dem Sattwerden. Um nicht nur mitessender Gast zu sein, hatte Martin noch einiges zum Essen beigesteuert: ein paar Würste zum Grillen in Form dieser komischen Schnecken, einen Eisbergsalat und eine Gurke, die er mit Angermüllers aromatischen Gartentomaten vom Markt zu einer großen Schüssel wässrigen Salats verarbeitet hatte. Diesen hatte er schließlich mit dem gleichen Kräutermischmasch wie die Lammkoteletts geschmacklich vollends neutralisiert.
    Mit Bedauern über die entgangenen Genüsse saß Georg bei Tisch und stocherte in seinem Teller herum. Sein großer Appetit war verschwunden. Wahrscheinlich hatte ihn auch die zweite Halbe Kutschertrunk satt gemacht, das dunkle, ungefilterte Bier aus der kleinen Privatbrauerei in seiner Heimat.
    Mit harmlosen Gesprächen ging der Abend dahin. Astrid war ziemlich still. Stiller als sonst, hatte Georg das Gefühl und meinte auch, eine leise Verstimmung bei ihr zu verspüren. Aber Julia und vor allem Judith, die andere Leute perfekt zu imitieren verstanden, trugen ein Gutteil zur Auflockerung der Stimmung am Tisch bei. Martin unterließ es, mit Segleranekdoten aus seinem schier unendlichen Fundus zu nerven, das tat er am liebsten vor großem Publikum. So konnte er auch einmal zuhören, war an den Geschichten der anderen interessiert und scherzte mit den Kindern. Dieser große, blonde Mann mit dem Vollbart konnte ein ganz netter Kerl sein. Er störte nur irgendwie.
    Dass es falsch war, seine Probleme mit Astrid auf Martin zu reduzieren, hatte Georg mittlerweile verstanden. Bis vor einiger Zeit, ja, da hatte er wohl so etwas wie Eifersucht auf Astrids Kollegen verspürt, doch glaubte er inzwischen zu wissen, dafür keinen Grund zu haben. Und selbst wenn, musste er mit Erstaunen feststellen, es hätte ihm wahrscheinlich nichts mehr ausgemacht. Diese Erkenntnis machte ihn irgendwie traurig.
     
    Da er am nächsten Morgen arbeiten musste, hatte sich Martin recht früh verabschiedet, und auch die Mädchen, müde vom Tag am Meer, zogen sich bald zurück. Wie anfangen, dachte Georg, als er allein mit Astrid im Garten zurückgeblieben war. Jetzt ist die Gelegenheit zum Reden endlich da. Mach schon, Angermüller!
    »Ist das nicht schön, dass du Urlaub hast?«, meinte er aufgeräumt zu seiner Frau. »Brauchst mal nicht ans Aufstehen am Montagmorgen zu denken. Möchtest du vielleicht noch ein Glas Rotwein?«
    Astrid antwortete nicht. Sie sah ihn nur an. Erst seit einiger Zeit kannte er diesen seltsamen Blick an ihr. Eine Mischung aus Erstaunen und Argwohn, so wie man vielleicht ein exotisches Lebewesen betrachtet hätte. Doch auf diese Art angeschaut zu werden, war ihm irgendwoher vertraut.
    »Sag mal, Georg«, fing sie endlich an zu reden. »Findest du es eigentlich richtig, wie du dich heute Abend verhalten hast?«
    »Bitte?«, Angermüller konnte mit dieser Frage überhaupt nichts anfangen. Irritiert fragte er nach: »Bitte, was meinst du denn?«
    »Du merkst es gar nicht! Das

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