Ballaststoff
ist ja noch besser!«, sie lachte freudlos und schüttelte bekümmert den Kopf. »Du kommst nach Hause, setzt dich an den gedeckten Tisch, lässt dich von Martin betütteln, Martin sprengt den Rasen, Martin macht den Salat, grillt, holt die Getränke, und du tust gar nichts! Du lässt dich einfach bedienen!«, regte sie sich auf. »Und Martin, dieser gutmütige Mensch, der macht das alles! Findest du das in Ordnung?«
Einen Moment lang war Georg völlig perplex. Dann hätte er beinah laut losgelacht. Wie konnte sie die Situation nur so interpretieren? Umgekehrt wurde ein Schuh daraus!
»Entschuldige bitte, aber ich habe Martin nicht darum gebeten, den Gastgeber zu spielen. Ich habe ihn noch nie darum gebeten, um genau zu sein. Ich hatte immer den Eindruck, er tut das absolut freiwillig und dass er auch gern in diese Rolle schlüpft.«
»Und du nutzt das schamlos aus.«
»Davon kann keine Rede sein, Astrid. Ich mache gute Miene zum bösen Spiel, so würde ich das sagen. Er verdirbt mir meine schönen Lammkoteletts, er bastelt einen Salat in schlechtester Wohngemeinschaftsqualität, er serviert ölige, matschige Kartoffelscheiben und ich esse das alles, ohne auch nur einen leisen Hauch von Kritik von mir zu geben. Ich würde mein Verhalten als ausgesprochen großzügig und tolerant bezeichnen.«
»Typisch! Wir reden über den Umgang mit anderen Menschen, und das Einzige, was dich interessiert, ist wieder nur das Essen!«
»Dass er den Rasen sprengen soll, hab ich auch nicht von ihm verlangt«, gab Georg ruhig zurück.
»Ach, das wolltest du selbst tun, ja?«
»Selbstverständlich! Das hatte ich mir als Erstes nach dem Nachhausekommen vorgenommen. Wahrscheinlich hast du wieder gedacht, der kommt sowieso nicht pünktlich, der kriegt das wieder nicht hin, und die ganze Zeit darüber lamentiert, bis Martin sich verpflichtet fühlte, diese Aufgabe zu übernehmen. Dir zuliebe, damit du beruhigt bist.«
»Das ist nicht wahr! Jetzt bin ich diejenige, welche! Das ist ja unglaublich!«
Astrid sprach laut und erregt. Sie will streiten, dachte Angermüller, na gut, vielleicht kommen wir dann endlich mal auf den Punkt.
»Astrid, ich hätte auf jeden Fall angerufen, wenn ich gemerkt hätte, dass ich es nicht pünktlich nach Hause schaffe.«
Als Antwort hörte er nur ein höhnisches Lachen. Klar, es war mehrmals vorgekommen, dass er vergessen hatte, Bescheid zu sagen. Georg war viel zu ehrlich, um ungerecht zu sein. Er hatte durchaus Mitschuld an den Konflikten zwischen ihm und seiner Frau. Das sah er auch ein. Seine Vergesslichkeit in privaten Dingen, seine zeitweilige Unzuverlässigkeit, sein Sich-Verlassen auf Astrids Umsicht, dass sie schon alles allein hinkriegen würde –, diese Dinge waren nicht von der Hand zu weisen. Dass er ihr Organisationstalent und ihre Bereitschaft, alles auf sich zu nehmen, ohne Nachdenken ausnutzte, davon sogar profitierte, gar nicht mehr nachfragte, ob ihr das nicht alles zu viel würde –, es fiel ihm einiges zu diesem Thema ein.
Allerdings überwogen in seiner Bilanz mittlerweile seine Bemühungen, daran zu arbeiten, und die deutliche Verbesserung seiner Verlässlichkeit. Totalausfälle, völlig verschwitzte Zusagen, Verabredungen und Termine waren ewig nicht mehr vorgekommen. Er fand es außerdem ungerecht, dass sein Anteil am Einkaufen und Kochen scheinbar überhaupt nicht interessierte. Auch die Ordnung im Kühlschrank und im Keller oblag schließlich seiner Verantwortung. Aber all das zählte für Astrid wohl zu seinen kulinarischen Freizeitbeschäftigungen.
Schon seit Längerem hatte Georg das Gefühl, dass Astrid sich verändert hatte. Auf einmal wusste er, warum ihm ihr argwöhnischer Blick zuvor so vertraut vorgekommen war. Es war seine Schwiegermutter Johanna, die ihn da anschaute. Diese hanseatische Strenge, diese Korrektheit, die Prinzipien, die keinesfalls aufgegeben werden durften, all das sprach daraus. Astrid war irgendwie spießiger geworden. Sie hatte sich von ihm entfernt. Er vermisste ihre Unbekümmertheit, ihre Leichtigkeit der früheren Jahre. Hatten sie sich zu Beginn ihrer Beziehung, jung und verliebt, wie sie waren, nur einander angepasst und fanden nach all den Jahren nun wieder zu ihren eigenen Rollen, ihren wirklichen Persönlichkeiten zurück? Mit Sicherheit hatte auch er sich im Lauf der Zeit verändert.
Während ihm all dies durch den Kopf ging, saß Astrid stumm auf ihrem Stuhl und spielte mit dem leeren Weinglas.
»Ehrlich gesagt, ich kann mir
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