Ballaststoff
konnte das gar nicht genießen. Ich bin ja ganz durcheinander.« Sie lachte ein wenig unsicher. »So eine schlimme Sache ganz hier in der Nähe!«
Die Frau wirkte tatsächlich ziemlich aufgeregt.
»Vielleicht sollte ich das Kind besser gleich dort abholen, oder?«
»Dazu gibt es überhaupt keinen Anlass, Frau Matthiesen«, versuchte Angermüller, sie zu beschwichtigen. »Ich bin sicher, Ihre Enkelin ist auf dem Graswurzelhof in keinerlei Gefahr.«
»Meinen Sie wirklich?«
Der Kriminalhauptkommissar nickte, und auch Jansen sagte: »Klar«, obwohl die Frau die ganze Zeit über ihn hinwegsprach, als ob er nicht vorhanden wäre.
»Sie können ganz unbesorgt sein.«
»Mir is trotzdem ’n büschen bang«, sagte sie verlegen.
»Wissen Sie was«, schlug Angermüller vor und fummelte in seiner Hosentasche, »ich lass Ihnen meine Karte hier. Da sind alle Nummern drauf, unter denen Sie mich oder die Kollegen erreichen können. Falls es Probleme gibt, Ihnen irgendwas verdächtig vorkommt, einfach anrufen.«
»Dat is aber man nett von Ihnen, Herr Kommissar«, freute sich Frau Matthiesen und nahm die Karte entgegen. »Vielen Dank! Und jetzt hol ich gleich meine Enkelin.«
»Na, da hast du aber wieder ’ne Freundin fürs Leben gefunden«, spottete Jansen, nachdem die Frau sich verabschiedet und ihnen einen schönen Sonntagabend gewünscht hatte.
»Mich hat die ja gar nicht gesehen.«
»Nur kein Neid«, versetzte Angermüller grinsend.
Jansen startete den Motor. »Feierabend?«
»Feierabend!«
»Und hättest du denn heute Zeit, mit mir noch ein Bierchen trinken zu gehen?«
»Claus, das tut mir wirklich leid, aber heute klappt das wieder nicht. Häusliche Pflichten warten auf mich.«
»Kein Problem. So ist dat eben, wenn man Familie hat.«
Jansen trug es mit Fassung.
»Deshalb schaffst du dir erst gar keine an, was?«, stichelte Angermüller.
Sein Kollege verzog keine Miene und schwieg.
»Aber diese Woche klappt das noch, Claus, versprochen.«
Kapitel V
In der beschaulichen Straße, die zur Wakenitz führte, lieferte Jansen seinen Kollegen vor dessen Haustür ab.
»Na, freust dich auf unseren Termin morgen früh? Soll ich dich abholen?«
»Freuen ist gar kein Ausdruck!«, meinte Angermüller. »Aber danke, ich komme mit dem Fahrrad. Schönen Abend noch, Claus!«
»Okay, dann um halb neun in der Rechtsmedizin. Tschüss, Georg, auch schönen Abend!«
Jansen gab Gas und legte einen Formel-1-Start hin. Angermüller blickte ihm amüsiert hinterher – für seinen Kollegen war und blieb Autofahren immer eine sportliche Herausforderung. Durch den Vorgarten, in dem schon jemand die Pflanzen gegossen hatte, ging er zu seiner Haustür.
Als Astrid die Zwillinge erwartete, hatten sie das kleine Bürgerhaus in St. Jürgen auf Anregung und mit finanzieller Unterstützung von Astrids Eltern erworben. Angermüller war das damals gar nicht recht gewesen, er fürchtete die Abhängigkeit, ebenso die lebenslange Dankbarkeit, die womöglich im Gegenzug erwartet wurde. Allerdings hatte er längst innerlich Abbitte geleistet, denn niemals hatten seine Schwiegereltern derartige Erwartungen auch nur durchschimmern lassen.
Und bald hatte Georg das hübsche Häuschen lieb gewonnen und konnte sich gar keine andere Bleibe mehr vorstellen. Es war ihm in den Jahren Heimat geworden. Beim Gedanken daran überkam ihn plötzlich ein eigenartiges Gefühl. Mit einem Seufzer schloss er die Haustür auf. Vielleicht würde sich ja heute am späteren Abend endlich die Gelegenheit zu einem Gespräch mit Astrid ergeben, und er würde diese hoffentlich auch nutzen.
Die von der Küche in den Wintergarten führenden Türen waren weit geöffnet, und er hörte das Wasser durch die Leitung fließen.
»Guten Abend zusammen! Wer ist denn da so fleißig und nimmt mir die Arbeit ab?«, rief er gut gelaunt nach draußen, während er sich ein Glas aus dem Schrank nahm. »Der Vorgarten ist auch schon gewässert. Ich hab doch versprochen, dass ich heute Abend die Pflanzen gieße!«
Astrid lag in einem Liegestuhl auf der Terrasse und las ein Buch, Julia stand daneben und telefonierte, Judith war nicht zu sehen. Martin stand mit dem Gartenschlauch in der Mitte des Rasens und sprengte denselben.
»Da ist der Hausherr ja schon! Na, Georg, einen erfolgreichen Tag gehabt?«
Angermüller hatte sich auf diesen Grillabend mit Astrid und den Kindern wirklich gefreut. Am Abend zuvor hatte er bereits die wie einen Schatz gehüteten Koteletts vom Pommerschen
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