Ballsaison: Palinskis siebter Fall
tun.
Auf jeden Fall fürchtete die Schiedsrichterkommission nichts mehr als schwarze Schafe in den eigenen Reihen. Referees, die in speziellen, heiklen Situationen durch eine Entscheidung wissentlich und willentlich ein Spiel in die eine oder andere Richtung hin beeinflussten. Die Zunft der Pfeifenmänner hatte ohnehin schon genug unter dem Stigma der Fehlpfiffe zu leiden, also den nach bestem Wissen und Gewissen erfolgenden Entscheidungen, die aber auf falschen Voraussetzungen fußten. Das war oft sehr hart für die betroffene Mannschaft, ja entscheidend.
Doch was half das Jammern: Shit happens nun einmal.
Gegen Geld ein Spiel zu verkaufen, war dagegen eine ganz andere Sache und geeignet, das gesamte Fußballbusiness in Misskredit zu bringen. Die leidige Affäre in Italien vor einigen Jahren war allen noch in schlechtester Erinnerung.
In so einem Fall konnte man gar nicht hart genug gegen die Verantwortlichen vorgehen.
Vor vier Tagen hatte sich Arthur Mellnig telefonisch mit Ian McBrody, dem schottischen Vertreter in der Kommission, in Verbindung gesetzt. Mellnig hatte den Briten bei einer Schulung kennengelernt und zu dem bulligen Spitzenschiedsrichter, den er als Vorbild ansah, Vertrauen gefasst. Nach Abschluss der Fortbildungsveranstaltung hatte McBrody den ehrgeizigen jungen Wiener eingeladen, sich doch bei Gelegenheit einmal bei ihm zu melden. Was Mellnig vor einigen Tagen auch getan hatte, wenn auch nicht ganz in der von dem Schotten ursprünglich gemeinten Unverbindlichkeit.
»Arthur war ganz aufgeregt und hat etwas von ›Die wollen die EM zerstören, die wollen tatsächlich unseren Sport kaputt machen‹ gestammelt«, musste der Schotte bereits zum dritten Mal wiederholen. Mehr wusste er auch nicht, denn Mellnig hatte sich geweigert, am Telefon darüber zu sprechen. Er hatte befürchtet, beobachtet und abgehört zu werden. Darum hatte er auch von einem Münzautomaten aus angerufen und sich sehr kurz gehalten.
Nach Rücksprache mit Generalsekretär de Graaf hatte McBrody den Österreicher aufgefordert, so rasch wie möglich nach Nyon zu kommen und zu berichten.
Betroffen bestätigte der korpulente Niederländer den letzten Satz des Schotten mit einem Kopfnicken. »Vielleicht hätten wir Vorsorge für seine Sicherheit treffen müssen«, räumte de Graaf ein, »aber wer hat schon ahnen können, dass diese Leute diesmal so weit gehen würden ?«
»Nun ja«, gab der Römer Ernesto Baldini zu bedenken, »diesmal geht es eben nicht nur um ein paar geschobene Spiele der Serie A oder der Bundesliga, sondern um die Europameisterschaft. Je größer der Kuchen, desto schärfer das Kuchenmesser. Eine alte umbrische Bauernweisheit«, meckerte er lustlos. Was die anderen Anwesenden in dieser Situation als absolut unpassend empfanden.
»Aber wieso haben sich diese …, wer immer sie auch sein mögen, Personen gerade an Mellnig gewandt ?« , grübelte McBrody. »Der Mann war lediglich auf der Standby-Liste für die Assistenten. Es besteht«, er korrigierte sich betroffen, »bestand lediglich eine minimale Chance, dass er überhaupt zum Einsatz kommen würde, geschweige denn bei einem bestimmten Spiel .«
»Wir müssen aber davon ausgehen, dass die Schweine, die hinter dem Ganzen stecken, damit rechneten, dass Mellnig im Zuge der Ereignisse an eine für sie wichtige Stelle gerückt wäre, eine entscheidende Position eingenommen hätte«, schlussfolgerte der Schwede Per Svenson messerscharf. Kein Wunder, er war im Zivilberuf Staatsanwalt. »Und damit haben wir jetzt zwei riesige Probleme. Einmal den Mord an Mellnig und zweitens …«
»Wie sollte unser ermordeter Kollege in eine Situation gebracht werden, in der er in der Lage sein würde, ein Spiel maßgeblich zu beeinflussen ?« , fiel ihm de Graaf ins Wort, der Anwalt und daher auch nicht gerade ein Langsamdenker war. »Welche weiteren Kollegen sind dadurch in Gefahr? Und welche sitzen möglicherweise im Boot mit diesen Schweinen ?«
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Nach der Ballprobe waren Irmi und Harry noch eine Kleinigkeit essen gegangen, eher er sie zu ihrer Vorlesung an der Wiener Hauptuniversität brachte. Sie studierte Soziologie und Politikwissenschaften und wollte später einmal in die Politik gehen. Und da sie sowohl ihr Studium als auch ihren Berufswunsch sehr ernst nahm, konnte Harry sie auch nicht zum ausnahmsweisen Schwänzen ihrer heutigen Verpflichtungen überreden.
»Wäre ich jedes Mal, wenn das Wetter schön und dir danach ist, nicht zu meinen Vorlesungen
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