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Ballsaison: Palinskis siebter Fall

Ballsaison: Palinskis siebter Fall

Titel: Ballsaison: Palinskis siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Emme
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gehaltenen, über den Handelskai und Klosterneuburg führenden Strecke – den Umweg hatte man bewusst in Kauf genommen – hatten Fans und Neugierige den kleinen Konvoi immer wieder zum Halten gebracht und ihrer Begeisterung für einzelne Spieler und das gesamte Kollektiv Ausdruck verliehen. Das waren Emotionen pur, wie erwartet.
    Anders als Anselm Wiegele insgeheim befürchtet hatte, fehlte allen diesen Zwischenfällen, aus sicherheitstechnischer Sicht eigentlich mittleren Katastrophen, jegliches Bedrohungspotenzial. Überall waren nur freundliche, lachende Gesichter zu sehen gewesen, die Stimmung war eindeutig positiv. Selbst die zahlreichen Transparente und Tafeln, die das legendäre Spiel in Córdoba vor 30 Jahren in Erinnerung riefen und für die am Sonntag steigende, aber schon heute alles Denken der Anhänger beherrschende Partie Österreich gegen Deutschland eine Neuauflage des 3:2 vorhersagten, wirkten nur wie gutmütiger Spott.
    So etwas konnte wirklich kein ernst zu nehmender Mensch ernst nehmen. Nicht einmal ein Deutscher.
    Den Spielern tat der fulminante Empfang in der Höhle der Ösis – wie Carlo Berger, der vorlaute Außenstürmer aus Bremen die Situation scherzhaft skizzierte – nach den letzten, von Aufstellungsdiskussionen, Dopinggerüchten und sonstigen hässlichen Geschichten beherrschten Tagen in der Heimat sehr gut. Als sie beim Quartier ankamen und aus dem Bus stiegen, wirkte die gesamte Truppe merklich entspannt, und das war gut so, fand nicht nur der Teamchef.
    Da es bereits nach 18.00 Uhr war, entschied sich Kai Uwe Kabella dagegen, mit der Mannschaft noch heute das als Trainingsplatz zugewiesene Hohe-Warte-Stadion aufzusuchen. Stattdessen setzte er für 19.00 Uhr einen Waldlauf an. Danach würde es Abendessen geben und dann, um 23.00 Uhr, den Zapfenstreich.

     
    * * *

     
    Obwohl er seinen Beobachtungen eigentlich keinerlei konkrete Bedeutung beimaß, gingen Harry Bachler die Kinder mit den Gummistiefeln, die sie plötzlich nicht mehr anhatten, nicht aus dem Sinn. Er war ein Mensch, der den Dingen gerne auf den Grund ging. Verstehen wollte, was um ihn herum geschah und auch warum.
    Er hatte sich diverse Interpretationen des seltsamen Geschehens überlegt, mit und ohne Einbeziehung des Stephansdoms, und war immer zu demselben Ergebnis gekommen. Das Ganze ergab einfach keinen Sinn, zumindest konnte er keinen erkennen. Da dieses Resümee aber alles andere als befriedigend war, beschloss er, sich nicht damit zufriedenzugeben. Er wollte, nein, er musste mit jemandem darüber sprechen, am besten mit seinem Vater. Und das am liebsten sofort, denn Geduld war keine der ausgeprägten Tugenden von Palinskis Sohn.
    Harry hatte Glück. Als er das ›Institut für Krimiliteranalogie‹ betrat, konnte er ›His Father’s Voice‹ schon vom Vorzimmer aus hören. Das Institut, ursprünglich nur gegründet, um der Beratungstätigkeit Palinskis einen offiziösen Anstrich zu geben, hatte sich im letzten Jahr gut entwickelt und machte erfreulicherweise ganz ordentlich Gewinn. Dafür waren aber nicht zuletzt auch Margit Wais-meier als rührige Büroleiterin und Florian Nowotny, ein vom Dienst freigestellter, Jus studierender Polizist, der sehr gut mit dem PC umgehen konnte, verantwortlich. Als Assistent Palinskis war er gleichzeitig auch so etwas wie sein Stellvertreter und an der Schwelle zur Unersetzbarkeit.
    »Schön, Anselm«, hörte Harry seinen Vater sagen, »dann sehen wir uns morgen. Und sag Marianne Bescheid, dass wir uns freuen, wenn sie bei uns wohnt. So lange sie will, du weißt ja, Wilma mag sie sehr gerne .«
    Bei Vaters Gesprächspartner musste es sich um Hauptkommissar Wiegele aus Singen handeln, schlussfolgerte Harry, dessen Schwester Tina mit Mariannes Bruder Guido …, aber das würde jetzt zu weit führen.
    Palinski hatte das Gespräch beendet und war aus seinem Büro gekommen. »Hallo«, begrüßte er seinen Sohn, »wie geht’s, wie steht’s ?«
    Der Gebrauch dieser dummen Floskel war ein schlechtes Zeichen und deutete nach Harrys Erfahrung darauf hin, dass sein Vater keine Zeit hatte.
    »Hast du eine Viertelstunde Zeit für mich ?« , wollte der Junior wissen. »Ich muss dir etwas Wichtiges erzählen .«
    »Tut mir leid«, Palinski blickte auf seine Uhr, und Harry wusste, dass er mit seiner Einschätzung wieder einmal recht gehabt hatte. »Aber ich soll bereits seit fünf Minuten bei meinem nächsten Termin sein. Können wir das auf morgen früh verschieben, vielleicht beim

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