Ballsaison: Palinskis siebter Fall
Und in der Schweiz«, stellte Miki fest. »Also sportlich ist das zunächst einmal keine Leistung. Überhaupt keine. Die muss die Mannschaft erst erbringen. Die Hysterie ist aber so, als ob unsere ›Buam‹ schon gewonnen hätten. Das ist doch idiotisch und vor allem bedeutet es noch mehr Arbeit. Das wird so weit gehen, dass ich eines Tages wieder einmal zu Hause vorbeischauen werde und mein Sohn wissen wollen wird, wer denn der Onkel ist, der da heute bei ihm vorbeikommt.« Resigniert schüttelte er den Kopf. »Glaub mir, da vergeht einem der Spaß .«
Er blickte auf seine Uhr. »Jetzt muss ich aber zu einer Besprechung mit dem Fußballbund und dem Staatssekretär. Melde dich, wenn du etwas brauchst und ich helfen kann .«
»Ja, aber das Wichtigste habe ich …«, wollte Palinski widersprechen, der sich entschlossen hatte, den Ministerialrat hinsichtlich des Attentats ins Vertrauen zu ziehen. Aber der Ministerialrat hatte offenbar nicht hingehört, er war unbeeindruckt aufgestanden und suchte seinen Aktenkoffer.
»Tut mir leid, aber es geht wirklich nicht. Keine Zeit mehr. Guten Tag, Herr Minister.« Unbemerkt war Dr. Josef Fuscheé, der Innenminister der Republik und gelegentliche Duzfreund Palinskis, in den Raum getreten.
»Hallo, Schneckenburger«, der große Mann pflegte einen legeren Umgangston mit seinen Beamten. Aber Vorsicht, wehe, einer der dermaßen Angesprochenen wäre auf die Idee gekommen, mit einem »Hallo, Herr Minister« darauf zu reagieren.
»Und wen haben wir denn hier? Hallo, Palinski«, fügte der oberste Verantwortliche für die Sicherheit im Lande leutselig dazu.
Im Gegensatz zum Freund, der seinen Chef verhalten devot begrüßt hatte, hatte Palinski keine Probleme mit dem gelegentlich etwas imperial-leutselig wirkenden Gehabe des Ministers.
»Hallo, lieber Josef«, er war seit einem schwachen Moment Fuscheés vor zwei Jahren oder so mit ihm per Du , wenn auch nur in Situationen, die das vertrugen. Und das war so eine, egal, was der Minister darüber denken mochte. »Gut, dass du da bist, ich muss etwas Wichtiges mit dir besprechen .«
»Das trifft sich gut«, entgegnete Fuscheé. »Denn ich habe auch etwas auf dem Herzen. Kommen …, komm am besten gleich mit mir, ich habe jetzt eine halbe Stunde Luft .«
»Brauchen Sie mich noch, Herr Minister ?« , wollte der bereits wie auf Nadeln sitzende Schneckenburger von seinem Herrn und Meister wissen. »Ich soll schon vor drei Minuten beim Sportstaatssekretär gewesen sein .«
»Na, was machen Sie denn dann noch hier, mein Guter ?« , meinte der Minister, nahm Palinski am Arm und führte ihn über den Gang in die ministeriellen Gemächer. Durch den privaten Eingang, eine ganz besondere Auszeichnung, wie Palinski später einmal zugesteckt bekommen sollte.
* * *
Harry hatte zwar wenig geschlafen, die Nacht aber ungeachtet der ungewohnten, etwas spartanischen Bedingungen höchst angenehm verbracht. Das war vor allem das Verdienst Tanjas gewesen, einer 23-jährigen Psychologiestudentin, mit der zusammen er zunächst das bange Gefühl, eingesperrt zu sein, geteilt und später die Zeit vertrieben hatte. Und das so natürlich und selbstverständlich, dass er keine Sekunde lang auf die Idee gekommen wäre, wegen Irmi ein schlechtes Gewissen haben zu müssen.
Überhaupt war die Stimmung an diesem Morgen viel besser als am Abend zuvor, an dem der Zorn über das Eingesperrtsein und die Angst vor dem, was noch geschehen könnte, dominiert hatten. Als sich herausgestellt hatte, dass die beiden Aufpasser Gilbert und Franz offenbar nicht mehr als martialisch herumstolzierende Angeber waren und keine blutrünstigen Killer, hatte sich die Atmosphäre im Laufe des späteren Abends spürbar entspannt.
Nach dem nicht gerade hervorragenden, aber ›besser als gar kein‹ Kaffee waren sogar wieder Pläne geschmiedet worden für die Zeit ab … Ja, ab wann eigentlich? Hinsichtlich des Zeitpunktes ihrer Freilassung wurde wild spekuliert, gerätselt, gehofft.
Harry, der die SMS an Florian mithilfe Tanjas während einer zunächst nur gespielten Liebesszene abgesetzt hatte, hatte der jungen Frau eingeschärft, den anderen gegenüber kein Wort zu verlieren. Einerseits war die Gefahr, dass sich jemand ihren Gefängniswärtern gegenüber verplapperte, einfach zu groß. Andererseits wollte Harry keine allzu großen Hoffnungen schüren. Noch nicht, erst nach Vorliegen einer Reaktion. Mit deren Eintritt er fest rechnete. Die aber bisher auf sich hatte
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